Gut kombiniert: Teilzeit-Mutter und Teilzeit-Azubi

Mütter absolvieren bei der INI in Sonsbeck Teilzeit-Berufsausbildung / Unternehmerverband: „Großes Bewerberpotenzial – was Anzahl, Qualität und Motivation angeht“

Jede zweite Mutter und jeder dritte Vater, die zwischen 16 und 24 Jahre alt sind, stehen ohne Berufsabschluss da – und sie besuchen weder eine Schule noch absolvieren sie eine duale Ausbildung. „Das müssen wir ändern“, fordert Wolfgang Schmitz vom Unternehmerverband und wirbt für ein Modell, dass dieser Zielgruppe nicht nur eine Beschäftigung, sondern auch einen Berufsabschluss ermöglicht: die Duale Ausbildung in Teilzeit. Diese absolvieren bundesweit derzeit etwa 3.000 junge Erwachsene. „Das sind viel zu wenige“, stellt Schmitz fest. Da es in den Mitgliedsfirmen des Unternehmerverbandes Praxiserfahrungen mit der Teilzeitausbildung gibt, weiß er: „Auszubildende mit Kindern sind besonders verantwortungsbewusst und motiviert, weil sie die Chance auf einen Berufsabschluss unbedingt nutzen wollen. Häufig erzielen sie sogar bessere Ergebnisse als Vollzeitauszubildende.“ Dieses Bewerberpotenzial – was Anzahl, Qualität und Motivation angeht –, sollten sich die Unternehmen zunutze machen. „In Zeiten des demografischen Wandels müssen sich Arbeitgeber mit attraktiven Angeboten um Mitarbeiter bewerben, nicht umgekehrt“, so Schmitz.

So wie die INI Initiative Integratives Leben e. V. mit Sitz in Sonsbeck, ein Mitgliedsunternehmen des Unternehmerverbandes im Kreis Wesel. Bei dem Verein der Behinderten- und Jugendhilfe ist die 24-jährige Verena Haase im dritten Lehrjahr und die 21-jährige Dana Raskop seit September in einer Teilzeitausbildung beschäftigt. „Mir geht es nicht ums Geld, sondern ich möchte Vorbild für meine Tochter sein“ – mit diesem Satz hatte Dana Raskop die INI-Ausbildungsleiterin Sabine Wroblewski im Bewerbungsgespräch besonders überzeugt. „Ich habe einen Heidenrespekt vor den beiden Azubinen, die der Mehrfachbelastung Job, Kinderbetreuung und eigenem Haushalt gerecht werden“, so Wroblewski. Über Verena Haase, die im kommenden August ihre Prüfung zur Bürokauffrau ablegen wird, sagt sie: „Verena überzeugt durch eine sehr gute Arbeitseinstellung, sie ist besonders motiviert und zielstrebig. Weil sie selbst ein Kind hat, ist sie es gewohnt, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.“ Und dabei war für die heute 24-Jährige der Einstieg ins Berufsleben quasi verbaut, als sie mit 18 ein Baby bekam. In einem Spielzeuggeschäft fühlte sie sich nicht wohl; „ich wollte lieber etwas im Büro machen“, sagt Verena Haase. Bei der INI fand sie mit der Teilzeitausbildung die optimale Lösung; ihre Tochter wird während ihrer Abwesenheit in einem Kindergarten betreut. „Ich hörte erstmals von der Möglichkeit, eine duale Ausbildung auch in Teilzeit zu machen, als ich bei der INI eine Einstiegsqualifizierung absolvierte. Da ich das Unternehmen, die Kollegen und meine Aufgaben dadurch schon kannte, war ich froh, hier bleiben zu dürfen“, erinnert sich die junge Mutter.

„Für die Teilzeitausbildung hatte ich zuvor zwei Jahre lang vergeblich eine geeignete Bewerberin gesucht“, berichtet Anja Heidenreich. Sie ist die Geschäftsführerin des Vereins der Behinderten- und Jugendhilfe und gegenüber neuen Ansätzen der Personalpolitik aufgeschlossen. „Bei unserer Arbeit stehen Menschen mit Behinderungen im Mittelpunkt. Deshalb ist es selbstverständlich, dass wir auch Arbeitnehmern mit Handicap eine Chance geben. Das sind Rollstuhlfahrer, Kleinwüchsige und Lernschwache, aber eben auch Menschen mit besonderen Lebensläufen wie Verena.“ Entscheidend für sie sei der Mensch, seine besonderen Fähigkeiten und seine Motivation, „alles andere lässt sich regeln“, so Heidenreich. Die beiden Teilzeit-Bürokauffrauen gehen mit den „normalen“ Azubis zwei Tage in der Woche zur Berufsschule, im Unternehmen arbeiten sie dann aber entsprechend weniger als Vollzeit-Azubis. „Die Arbeitsinhalte werden komprimierter abgearbeitet, damit die Ausbildungszeit von drei Jahren eingehalten wird“, erklärt Wroblewski. Nichtsdestotrotz erwarte sie gleiche Leistungen, wenn sie auch die Mütter ab und zu zum Lernen innerhalb der Arbeitszeit freistelle: „Wenn die beiden nach Hause kommen, können sie sich ja nicht in Ruhe an den Schreibtisch setzen, um für Prüfungen zu lernen. Hier zollen wir der Doppelbelastung entsprechenden Respekt.“ Insgesamt beschäftigt die Initiative Integratives Leben 30 festangestellte Mitarbeiter, darunter vier Azubis, sowie gut 250 externe Integrationshelfer, die z. B. stundenweise Kinder mit Behinderung in Regelschulen begleiten.

Die beiden Mütter sind leuchtende Beispiele dafür, dass sich Beruf und Familie – das können ja auch pflegebedürftige Angehörige sein – vereinbaren lassen. „Gelingt dies, ist das eine Chance für Unternehmen, ihren Bedarf an Fachkräften zu decken“, sagt Wolfgang Schmitz vom Unternehmerverband. Denn in einigen Branchen – neben technischen Berufen sind das solche in der Pflege in Krankenhäusern und Alteneinrichtungen – fehlt es an Fachkräften. „Gefragt sind nicht nur Akademiker, sondern auch Fachpersonal, das sich die Firmen im eigenen Hause selbst ausbilden“, resümiert Wolfgang Schmitz.

Der Unternehmerverband ist mit seinem Juristen-Team auf arbeitsrechtliche Themen spezialisiert. Seine Mitgliedsunternehmen berät er außerdem in Sachen Tarifpolitik und Arbeitswirtschaft, außerdem vertritt er ihre wirtschaftspolitischen Interessen. Mit regionalem Schwerpunkt an Rhein und Ruhr und bis ins Westmünsterland hinein vertritt der Arbeitgeberverband die Interessen von 700 Unternehmen bundesweit. Mehr Infos unter www.unternehmerverband.org

Weitere Informationen zur Teilzeitausbildung bietet die Internetseite www.jobstarter.de/ausbildung-in-teilzeit

Verena Haase (rechts) und Dana Raskop sind als Azubinen bei der INI Initiative Integratives Leben teilzeitbeschäftigt. (Foto: INI)

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