Kalender
Unternehmertage und -treffen, Seminare, Arbeitskreise, Business Breaks oder Netzwerkveranstaltungen – die nächsten Termine des Unternehmerverbandes sind hier aufgelistet.
Weiterlesen1. April 2020
Nach der Vollbremsung Anfang März laufen die Corona-Hilfen des Bundes und der Länder für die deutsche Wirtschaft in dieser Woche so richtig an. Vergangenen Freitag wurde die Soforthilfe für Kleinstunternehmer und Soloselbständige in NRW freigeschaltet. Wie die dpa berichtet, seien bis Dienstagnachmittag rund 285 000 Anträge eingegangen und mehr als 256 000 bereits bewilligt worden, so ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Die Auszahlung soll ab Ende der Woche erfolgen. Schon länger läuft das KfW-Sonderprogramm für die Wirtschaft, das die Liquidität des Mittelstands und auch von Großunternehmen sicherstellen soll. Per 30. März lag das Auftragsvolumen bei rund 8,7 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes mit der Zielgruppe Großunternehmen sowie zahlreiche steuerliche Hilfsmaßnahmen und das neue Kurzarbeitergeld.
Trotz dieses beispiellosen Schutzschirms, der in Rekordzeit aus dem Boden gestampft wurde, gibt es insbesondere von Mittelstandsvertretern auch deutliche Kritik. Demnach fielen insbesondere mittelgroße Unternehmen durch das Raster. Was ist da dran?
u!: Herr Dr. Bonn, bekommen Sie die Firmenkundenbetreuer der Sparkasse Duisburg derzeit noch zu Gesicht oder ist der Ansturm der Unternehmen zu groß?
Dr. Joachim K. Bonn: Bislang haben sich rund 550 Firmen wegen der Corona-Förderprogramme gemeldet. Etwa 1.000 Unternehmen haben unser Angebot in Anspruch genommen, ihre Darlehenstilgung bis zum 30. Juni auszusetzen. Das sind schon ordentliche Zahlen, aber ich bin mir sicher, dass die große Welle erst noch kommen wird. Wir sind vorbereitet.
u!: Verbände und Unternehmen haben den Schutzschirm der Bundes- und Landesregierung auf der einen Seite einhellig begrüßt, auf der anderen Seite wird immer mehr Kritik laut: Die ganz Kleinen bekommen Zuschüsse, die sie nicht zurückzahlen müssen. An den ganz Großen beteiligt sich im Notfall der Bund. Nur der Mittelstand muss zur Überbrückung der Krise Kredite aufnehmen, die die Unternehmen später zurückzahlen müssen. Wenn ihre Hausbanken denn überhaupt mitspielen. Entweder bekommen die Firmen also in der Not gar kein Geld. Und die, die etwas bekommen, stehen nach der Krise vor einem Berg von Schulden. Was ist da dran?
Dr. Bonn: Drei Gruppen von Unternehmen stehen in der Tat vor größeren Herausforderungen, wenn man dieser Gerechtigkeitsargumentation folgt. Da sind die gesunden mittelgroßen Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern und einigen Millionen Euro Umsatz. Für sie kommen in der Tat derzeit nur Kredite als Liquiditätshilfe in Frage, bei der die KfW bis 90 Prozent und die NRW-Bank bis 80 Prozent des Risikos übernehmen. Man muss aber unterscheiden: Zum einen gibt es die Firmen mit hohen Rücklagen, hohen Margen und Nachholeffekten nach der Krise, beispielsweise Industriebetriebe. Sie werden zwar gegebenenfalls mit einer deutlich höheren Verschuldung aus der Krise gehen und diese über Jahre abtragen müssen. Aber die können sie schultern. Viel ungewisser schaut es in den Branchen aus, die vom laufenden Umsatz leben, etwa die Gastronomie, die Touristik oder Caterer. Bei ihnen ist schon fraglich, ob sie überhaupt für die aktuellen KfW-Programme in Frage kommen. Denn eine Voraussetzung ist, diese Hilfen innerhalb von fünf Jahren zurückzahlen (Download) zu können – das ist bei vielen Unternehmen derzeit mehr als fraglich. Da sind uns ein Stück weit die Hände gebunden. Es kann aber sein, dass hier noch mal Bewegung reinkommt.
u!: Warum gibt es für diese Unternehmen keine 100-prozentige Haftungsfreistellung durch die KfW und verlängerte Rückzahlungsfristen? Oder direkte Zuwendungen wie bei den Kleinstbetrieben?
Dr. Bonn: Die Diskussion gab und gibt es und das sind Optionen, über die intensiv gesprochen werden muss. Die Lücke ist da. Allerdings stehen einer solchen Lösung derzeit noch die Beihilferegelungen der EU entgegen, auch wenn diese schon gelockert wurden.
u!: Was raten Sie derzeit einem Gastronom oder Caterer?
Dr. Bonn: Dass sie mit ihren Hausbanken zusammen alles versuchen sollten, die Hilfen in Anspruch zu nehmen und sich mit Liquidität zu bevorraten. Denn das ist viel besser als nichts. Klar ist aber auch, dass die kommenden fünf Jahre für die Unternehmen dann sehr hart werden, keine Frage.
u!: Was sind die zwei anderen Gruppen?
Dr. Bonn: Als zweite Gruppe sind da die sogenannten Sanierungskunden der Banken, die nach wirtschaftlichen Problemen gerade wieder auf dem Weg der Besserung waren. Wegen ihrer mangelnden Bonität gibt es für diese Unternehmen derzeit keine Hilfsprogramme. Da muss gemeinsam mit der Hausbank nach anderen – und zumeist zwangsläufig teureren – Lösungen gesucht werden.
Und dann gibt es Firmen, die beispielsweise wegen einst günstiger Konditionen heute an eine Hausbank gebunden sind, die wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Förderprogramme zu begleiten. Für sie wird es sehr schwer bis unmöglich, in der Krise eine neue Hausbank zu finden.
u!: Es werden aber auch Vorwürfe laut, dass Sparkassen und Banken aus regulatorischen Vorgaben eigentlich gesunden Unternehmen Hilfe verweigern müssen, weil wegen radikal weggebrochener Umsätze die Kapitaldienstfähigkeit der Firmen nicht mehr gegeben sei…
Dr. Bonn: Diese Vorschrift gibt es in der Tat. In normalen Zeiten hat sie auch ihre Berechtigung. Auf die Corona-Krise passt sie aber nicht, da sind sich auch grundsätzlich alle Instanzen der Bankenaufsicht und Regulatorik einig. Bis es hier aber etwas Schriftliches gibt, muss man kreativ sein und mit Mut agieren – auch in Grauzonen im Sinne der Kunden. Bei uns gilt: Die internen Ratings vor der Krise sind unser Maßstab für die Risikobewertung. Wer also vor Corona gut dastand, dem helfen wir schnell und möglichst unbürokratisch. Wer vorher schon wacklig unterwegs war, der sollte nun nicht auf Kosten des Steuerzahlers künstlich am Leben gehalten werden.
u!: Was heißt bei Ihnen „schnell und unbürokratisch“?
Dr. Bonn: Unsere Firmenkundenbetreuer kennen ihre Unternehmen aus dem Effeff. Die meisten Unterlagen, die wir für die Kreditentscheidung benötigen, liegen vor oder sind schnell zu beschaffen. Also beispielsweise der Jahresabschluss 2018 oder eine Unternehmensplanung für die kommenden zwölf Monate. Nach drei Arbeitstagen sollten wir in der Regel mit der Prüfung durch sein. Bis zu einer Kreditsumme von drei Millionen Euro prüft die KfW dann nicht mehr und es sollte schnell gehen. Bei Summen zwischen drei und zehn Millionen Euro bemüht sich die KfW um eine Bearbeitungsdauer von höchstens fünf Werktagen. Das ist kein Vergleich zur Dauer in der Vor-Corona-Zeit.
u!: Einige Familienunternehmer kritisieren zudem, dass sie mit ihrem privaten Vermögen haften sollen. Ist das neu?
Dr. Bonn: Nein. Die KfW verlangt bankübliche Sicherheiten, dazu gehörte auch vor der Krise in verschiedenen Fällen die persönliche Haftung. Nämlich immer dann, wenn die Eigenkapitaldeckung der Gesellschaft eher überschaubar ist. Bei AGs oder GmbHs mit guter Eigenkapitalbasis kann man darauf verzichten, d.h. die KfW-Programme sehen eine obligatorische Bürgschaft nach wie vor nicht vor. Am Ende des Tages bleibt trotz aller Hilfsprogramme eines immer erhalten: das Risiko des Unternehmers.
u!: Wagen Sie eine Prognose für die nächsten Monate?
Dr. Bonn: Nein, was wir gerade erleben, ist ohne Beispiel. Und wir stehen noch ganz am Anfang. Umso mehr kommt es jetzt darauf an, jedes Hilfsprogramm und jede Entwicklung genau zu analysieren und auf Fehlentwicklungen schnell zu reagieren. Banken und Sparkassen brauchen zudem (rechtliche) Spielräume, um individuell noch besser helfen zu können. Das wird für alle eine sehr herausfordernde Zeit.
Interview: Christian Kleff
Wir nutzen Cookies auf dieser Webseite. Einige von ihnen sind essenziell, während andere uns helfen, diese Website für Sie optimal zu gestalten und weiter zu verbessern.