Im Spagat zwischen Qualität und Kosten: passgenaue Arbeitsbedingungen für Kliniken und soziale Dienstleistungen wichtiger denn je

Soziale Dienstleister diskutierten im Haus der Unternehmer über Zukunftsstrategien in einem härter werdenden Wettbewerb

Im „Spagat“ zwischen Qualität und Kosten befinden sich alle, die einen sozialen Auftrag erfüllen wollen, aber von leeren Kassen öffentlicher Haushalte hinsichtlich der Refinanzierung abhängig sind. Über mögliche Handlungsoptionen informierte ein Symposium des „Unternehmerverbandes Soziale Dienste und Bildung“ im HAUS DER UNTERNEHMER in Duisburg. Der dort ansässige bundesweite Arbeitgeberverband für Behinderteneinrichtungen, Seniorenheime, ambulante Pflege, Krankenhäuser, Wohlfahrtsverbände, Bildungseinrichtungen und andere soziale Dienstleister präsentierte den Teilnehmern hierfür namhafte Experten aus Theorie und Praxis. Vorgetragen und diskutiert wurden aktuelle Themen der Branche wie Qualitätssicherung, Fachkräftemangel und Tarifpolitik.

Wie sich dieser Spagat aushalten lässt, erläuterte Prof. Dr. med. Martin Hansis. Als Geschäftsführer der Städtischen Klinikum Karlsruhe gGmbH kennt er das Problem leerer Haushaltskassen. Gerade deshalb müsse die Geschäftsleitung abwägen, welche Investitionen langfristig sinnvoll und welche unnötig seien. „Unternehmerische Entscheidungen sind stets Abwägungsentscheidungen, die an vier Kriterien geknüpft sind: Qualität und Leistungsangebot, Personal, Organisation sowie Kosten und Ertrag“, erklärte Hansis. „Geschäftsführer und Personalleiter haben das Recht und die Pflicht, eine Ermessensentscheidung zu fällen. Sie müssen dabei zum Spagat stehen und dürfen sich nicht die geistige Freiheit nehmen lassen“, so seine Kernbotschaft. Die Entscheidungen müssten aber transparent sein und den Mitarbeitern gegenüber begründet und kommuniziert werden.

Zum Thema Fachkräftemangel referierte der Arbeitsmarktexperte Gerhard Hackenbracht von der Regionaldirektion NRW der Agentur für Arbeit. Dabei verdeutlichte er den Teilnehmern die Problematik mithilfe der demografischen Entwicklung. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) prognostiziert einen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials – d.h. alle Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen – um 6,5 Mio. Erwerbspersonen. Diese Entwicklung treffe besonders die Krankenhäuser und den sozialen Bereich wie etwa die Pflegedienste, deren Kundenzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten deutlich steigen. „Flächendeckende Fachkräfteengpässe sind im Gesundheitswesen bereits heute vorhanden“, erklärte Hackenbracht und berief sich dabei auf eine Studie der Arbeitsagentur. Politische Maßnahmen wie die „Rente mit 67“ könnten den Rückgang zwar verringern, aber nicht verhindern. Auch ein Zuwanderungssaldo von 100.000 Einwanderern pro Jahr würde diesen Trend nicht aufhalten können: „Zuwanderung lag in den letzten Jahren deutlich unter 100.000 pro Jahr und bedeutet nicht zwangsläufig eine Qualitätssteigerung. Die Öffnung der Grenzen am 1. Mai 2011 für weitere osteuropäische Länder hat keinen Ansturm auf unseren Arbeitsmarkt verursacht. Diese Länder stehen vor den gleichen demografischen Problemen wie wir“, so Hackenbracht abschließend.

In zwei Workshops wurden anhand von Praxisbeispielen Lösungswege zur Bekämpfung des Fachkräftemangels vorgestellt und diskutiert. Sabine Dreiling-Beitz stellte dabei ihr Projekt „Examina – Projekt Fachkräfte aus dem Ausland“ vor, welches sie gemeinsam mit sozialen Dienstleistern in Mülheim initiiert hat. Die Zielsetzung des Projekts besteht darin, ausländische Pflegefachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Dabei werden diese sechs Monate lang fachlich sowie sprachlich geschult und müssen am Ende eine Abschlussprüfung absolvieren. Da die Anerkennungsphase für Einzelpersonen in Deutschland zu kompliziert und aufwändig ist, gehen viele Ausländer lieber in anderen Ländern mit geringerem bürokratischem Aufwand arbeiten. „Hier kann das Projekt gezielt gegensteuern, da es Gruppen und eben keine Einzelpersonen nach Deutschland holt und diese während der Anerkennungsphase sowohl betreut als auch unterstützt“, erklärte Dreiling-Beitz. Bei der darauffolgenden Diskussionsrunde wurde unter anderem angesprochen, dass die Ausbildungsberufe in der Pflege für Jugendliche attraktiver werden müssen. Darüber hinaus wurde angemerkt, wie wichtig es ist, in den Schulen für Pflegeberufen zu werben, wie es der Unternehmerverband im Rahmen der vertieften Berufsorientierung bereits tut. Oftmals fehle auch die gesellschaftliche Anerkennung für soziale Pflegeberufe, insbesondere bei Behindertenwerkstätten, kritisierten die Teilnehmer.

Bei seinem Vortrag referierte der Unternehmensberater Heinz Falszewski über tarifpolitische Aspekte im Gesundheitssektor. Das ehemalige Vorstandsmitglied der Rhön-Klinikum AG betonte: „Besonders bei Kliniken brauchen wir flexible und wettbewerbsorientierte Gestaltungsmöglichkeiten.“

Elisabeth Schulte, Geschäftsführerin des Unternehmerverbandes, unterstrich in ihrem Schlusswort, dass die Personalkosten nur getragen werden könnten, wenn die Einrichtungen wettbewerbsfähig seien. Doch das hänge auch stark von der Qualität ab. Diese müsse mit passenden Arbeitsbedingungen gesichert werden. „Soziale Dienste und Kliniken sind nicht der öffentliche Dienst. Daher sorgen wir für passgenaue Arbeitsbedingungen bei unseren Mitgliedsfirmen, damit sie Handlungsspielräume haben, mit denen sie im harten Wettbewerb bestehen und die erforderlichen Fachkräfte am Arbeitsmarkt gewinnen“, resümierte Schulte die Ergebnisse des Symposiums.

Interessierte Teilnehmer beim Symposium im Haus der Unternehmer diskutierten über aktuelle Herausforderungen in der Gesundheitsbranche. (Foto: Unternehmerverband)

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