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Unternehmertage und -treffen, Seminare, Arbeitskreise, Business Breaks oder Netzwerkveranstaltungen – die nächsten Termine des Unternehmerverbandes sind hier aufgelistet.
WeiterlesenEr ist 43 Jahre alt und Teil des Laschet-Teams für die Bundestagswahl im September: Dr. Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), die den wirtschaftspolitischen Flügel der Union repräsentiert. Bereits seit 2009 Mitglied des Bundestags, hat er sich mit einem klaren ordnungspolitischen Profil einen Namen gemacht und repräsentiert die jüngere Generation in der CDU. Im Gespräch räumt er Versäumnisse in den vergangenen Regierungsjahren ein und fordert im gleichen Atemzug, „aus der Komfortzone herauszukommen und einen Neuanfang zu wagen“. Eine Union als Juniorpartner der Grünen ist für ihn nur schwer vorstellbar. Am 31. August ist Linnemann Keynote-Speaker beim Unternehmertag des Unternehmerverbandes.
Herr Dr. Linnemann, die Union liegt in den frühsommerlichen Umfragewerten häufig hinter den Grünen. Wie kann die Trendwende gelingen? Und wann muss das Ruder spätestens rumgerissen sein?
Die CDU muss es schaffen, endlich in die Offensive zu kommen – mit eigenen Themen und einem starken Team. Ich bin dafür, dass wir ab jetzt jede Woche einen inhaltlichen Pflock einschlagen. Die Menschen müssen wissen, wofür die CDU steht und wie sie dieses Land in die Zukunft führen will. Es gibt in der Partei und mindestens genauso in der Bevölkerung eine große Sehnsucht nach Ideen und Visionen.
Ich wünsche mir beispielsweise, dass wir bestehende Strukturen und Hierarchien überdenken. Wir müssen das föderale Zuständigkeitswirrwarr beenden und Verantwortlichkeiten klarer zuteilen. Sinnvoll wäre eine zentrale Digitalagentur, in der die zersplitterten IT-Zuständigkeiten der Ministerien und Behörden zusammengefasst werden. Verbeamtungen sollten nach meiner Auffassung nur noch in hoheitlichen und sicherheitsrelevanten Staatstätigkeiten vorgenommen werden, wie etwa in den Bereichen Polizei und Justiz.
Darüber hinaus müssen wir ein Entfesselungspaket auf den Weg bringen, um wirtschaftliches Wachstum anzureizen. Der angehäufte Schuldenberg lässt sich nicht durch Umverteilungen abtragen, sondern nur durch innovative und kreative Kräfte, die Wachstum generieren.
Außerdem müssen wir als CDU zeigen, wie Klimaschutz richtig geht: nämlich ohne Verbote und Dirigismus, sondern mit Marktwirtschaft und Technologieoffenheit. Klimaschutz funktioniert nicht im nationalen Alleingang, sondern nur global. Unser Ziel muss ein globaler CO2-Preis sein, der alle Sektoren umfasst.
Armin Laschet scheint als Kanzlerkandidat in der öffentlichen Meinung auf verlorenem Posten zu stehen. Warum ist er trotzdem der Richtige?
Die unionsinterne Auseinandersetzung über die Kanzlerfrage war dringend nötig, aber sie hat Spuren hinterlassen. Wir haben uns mit Armin Laschet für einen starken Mann mit viel Regierungserfahrung entschieden, der im Industrieland Nordrhein-Westfalen einen hervorragenden Job macht. Er ist kommunikativ und hat ein klares Wertefundament. Dass er mit Friedrich Merz seinen Rivalen im Wettbewerb um den Parteivorsitz direkt einbindet, zeigt, dass er die Breite der Volkspartei CDU abbilden wird.
Führende CSU-Politiker machen aus ihrer Enttäuschung über die Pro-Laschet-Entscheidung keinen Hehl. Einen Tag nach einem Anfang Mai von einem Medium inszenierten „Friedensgipfel“ zwischen CSU-Staatsministerin Dorothee Bär und JU-Chef Tilman Kuban machte CSU-Generalsekretär Markus Blume Armin Laschet für das andauernde Umfragetief verantwortlich. Wie wollen CDU und CSU diesen tiefen Riss kitten? Wann herrscht in der Union wieder Geschlossenheit?
Abweichende Meinungen und Kritik gehören in der Demokratie dazu. Der Diskurs der Positionen fand ja in den letzten Jahren viel zu wenig statt. Aber ab August allerspätestens sollte kein Blatt Papier mehr zwischen Markus Söder und Armin Laschet und zwischen unseren beiden Parteien passen. Da wir bis dahin unser gemeinsames Wahlprogramm aufgestellt haben, bin ich sicher, dass uns das gelingt.
In Umfragen wurde der Union in den vergangenen Jahrzehnten stets eine hohe Wirtschaftskompetenz attestiert. Schaut man auf die jüngere Vergangenheit war es allerdings offensichtlich, dass das Klima zwischen Regierung und Wirtschaft fast schon Minusgrade erreicht hat. Angela Merkel ist nicht nur einmal auf Distanz etwa zum Bundesverband der deutschen Industrie gegangen. Was ist passiert?
Deutschland gehört immer noch zu den stärksten Volkswirtschaften der Welt. Das ist auch das Verdienst der vergangenen Bundesregierungen, die uns gemeinsam mit unserer Wirtschaft gut durch die vergangenen Jahre geführt hat. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir insgesamt träge geworden sind und uns zu sehr alten Erfolgen ausruhen. Wir haben uns in der Komfortzone eingerichtet und es verpasst, große Reformen anzupacken. Aber dafür ist es nie zu spät.
Mit Peter Altmaier stellt die CDU den Wirtschaftsminister. Und zwar einen, der in der öffentlichen Bewertung äußerst schlecht wegkommt. Nicht nur sein Corona-Management hat zahlreiche Kritiker ratlos zurückgelassen. Liegt es an der Person oder an der grundsätzlichen Aufstellung des Ministeriums?
In der Rückbetrachtung ist es immer leicht, das zu sagen, aber es ist unstrittig, dass im Corona-Management sehr viele Fehler gemacht wurden. Das, was bei der Impfstoff- und Maskenbestellung, in den Schulen, bei der App und anderswo falsch gelaufen ist, müssen wir aufarbeiten, damit so etwas nicht wieder passiert. Es ist aber auch nicht fair, Peter Altmaier zum alleinigen Buhmann zu machen. Dass zum Beispiel bei der Beantragung und Auszahlung der Wirtschaftshilfen einiges durcheinandergeriet, lag in erster Linie am Finanzminister, der sich geweigert hat, das Instrument den Finanzämtern zu geben, die das viel besser hätten regeln können. Diese Fehler müssen aufgearbeitet werden – und dann müssen wir wieder nach vorne schauen.
In einem Gastkommentar für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände haben Sie für eine Revitalisierung der Sozialen Marktwirtschaft geworben. Sie schlagen dort unter anderem eine Entfesselungs- und Entlastungspolitik vor, die das Arbeitszeitrecht modernisiert und Unternehmen von Auflagen befreit. Außerdem fordern Sie „eine grundlegende Steuerrechtsreform, die den Mittelstandsbauch abflacht, den Spitzensteuersatz später greifen lässt und den Solidaritätszuschlag vollständig abschafft“. Das klingt wie ein Bewerbungsschreiben für den Posten des Wirtschaftsministers. Wie realistisch ist eine Umsetzung nach der Wahl?
Das hängt vor allem vom Willen der nächsten Bundesregierung ab. Die Corona-Pandemie muss als Zäsur für die Wirtschaftspolitik in Deutschland verstanden werden. Vorfahrt muss jetzt alles haben, was Unternehmen und Bürger entlastet und Wachstum schafft. Übrigens, um mal ein Missverständnis auszuräumen: Als Wirtschaftsminister kann man solche Projekte übrigens gar nicht durchsetzen. Viel entscheidender für die Wirtschaft sind die Ressorts Finanzen, Arbeit und Soziales und sogar das Justizministerium. Deshalb muss die Union dafür sorgen, dass sie Zugriff auf solche Schlüsselressorts bekommt.
Mit Friedrich Merz hat Armin Laschet seinen Konkurrenten um das Amt des Parteivorsitzenden in sein Wahlkampfteam einbezogen. Sie haben in einem Interview hingegen junge Köpfe für das Laschet-Team gefordert. Zeichnet sich hier eine neue Konfliktlinie ab? Hier der 43-jährige Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, dort der 65-jährige ehemalige Fraktionsvorsitzende. Wirtschafts-, Finanz- oder Superminister kann nur einer werden…
Nein, es geht nicht um jung oder alt, sondern um ein breit aufgestelltes Team. Ich wäre dafür, dass wir zehn bis 15 Politiker in diesem Team haben, aber auch etwa gleich viele Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft hinzuziehen. Es geht also nicht darum, ein zukünftiges Kabinett zu präsentieren, sondern um ein Kompetenzteam, das konkrete Ziele benennt und Zukunftsthemen glaubwürdig vertritt.
Armin Laschet hat bereits ein Modernisierungsjahrzehnt für Deutschland ausgerufen. Ralf Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion, geht einen Schritt weiter und spricht mit Blick auf das deutsche Staatswesen von einer „notwendigen Jahrhundertreform – vielleicht sogar einer Revolution“. Die Kommentare zu diesen Vorstößen sind bisweilen sehr hämisch, immerhin hatte die Union 16 Jahre Zeit, all diese Punkte anzupacken. Warum ist das nicht passiert?
Politik muss sich laufend erneuern und Personen sind nicht gleich Partei. Armin Laschet regiert seit vier Jahren in Nordrhein-Westfalen als Ministerpräsident und hat eine Menge auf den Weg gebracht, unter anderem eine Bundesratsinitiative mit dutzenden Maßnahmen zur Unternehmensentlastung und Bürokratie-Abbau. Seit seinem Amtsantritt hat er mit Entfesselungspaketen zig unnötige Regelungen vereinfacht und gestrichen. Ralph Brinkhaus ist seit zweieinhalb Jahren im Amt. Ich bin sehr froh, dass wir in unserer Partei endlich über größere Reformen sprechen, und müssen jetzt endlich liefern. Mit Armin Laschet und einem starken Team an seiner Seite können wir uns auf mehr Tempo bei Planungsverfahren, mehr Freiräume zur Entfaltung, einen besseren Rahmen für Gründer und mehr Geschwindigkeit bei der Digitalisierung einstellen.
Ein öffentlicher Kommentar von Ihnen trägt den Titel „Nie wieder 16 Jahre! Wird das Kanzleramt zum Bunker, leidet das Land“ – das klingt nach einer Abrechnung mit dem System Merkel. Und auch ein Stück weit opportunistisch, da Angela Merkel die Politik ja verlässt. Was treibt Sie an?
Gerade weil Angela Merkel das Amt nach vielen erfolgreichen Jahren verlässt, haben wir jetzt die Chance, unabhängig vom Amtsinhaber grundsätzlich über eine Reform zu sprechen. Das stellt nicht die unumstrittenen Verdienste von Angela Merkel oder auch Helmut Kohl und Konrad Adenauer infrage. Aber Ämter werden in Demokratien aus gutem Grund auf Zeit vergeben. Die Demokratie lebt von Wettbewerb und Erneuerung. Durch festgelegte Zeiträume sorgen wir dafür, dass Parteien sich erneuern und das Land nicht erstarrt. Die Amtszeit von Bundeskanzlern und Ministerpräsidenten sollte am besten auf zwei Wahlperioden beschränkt werden. Die Parteien würden sich weniger auf bewährte Personen ausruhen, sondern stärker auf Inhalte konzentrieren. Das zeigt ja auch die Erfahrung aus der Wirtschaft: Ist der Chef zu lange im Amt, leidet der Erfolg. Es fehlen neue Ideen und es verfestigen sich Machtstrukturen. Deshalb hat sich bei Unternehmensvorständen eine durchschnittliche Amtszeit von acht bis zehn Jahren eingepegelt. Genau diesen Zeitraum würden wir mit einer Amtszeitbegrenzung für Regierungschefs einhalten.
Wie fällt Ihre persönliche Bilanz der vergangenen vier Legislaturperioden aus? Hat Deutschland Chancen ergriffen oder wurde Deutschland lediglich verwaltet?
Ich war nie ein Freund großer Koalitionen, zumindest nicht auf lange Sicht, und habe daraus auch keinen Hehl gemacht. Im Großen und Ganzen wurde Deutschland die vergangenen vier Legislaturperioden souverän geführt. Gerade international wurden unsere Regierungen geschätzt, weil wir auf europäischer Ebene eine Führungsrolle eingenommen haben und stabil regiert wurden. In der Rückbetrachtung muss man jedoch auch einräumen, dass sich Deutschland zu sehr auf alten Erfolgen ausgeruht und von der Substanz gezehrt hat. Für wirklich große Reformen fehlte der Mut. Umso mehr gilt es jetzt, aus der Komfortzone herauszukommen und einen Neuanfang zu wagen. Dazu müssen wieder diejenigen in den Blick nehmen, die mit ihren Steuern und ihrer Leistung den Sozialstaat und das Geldverteilen überhaupt erst möglich machen.
Kommen wir noch einmal zurück zur Bundestagswahl. Im Gegensatz zu den anderen Parteien fehlt es in der Union bislang an einem konkret formulierten Wahlprogramm. Ist das Strategie oder den Personalquerelen der vergangenen Monate geschuldet?
Wie andere Parteien auch mussten wir uns zunächst auf einen Spitzenkandidaten einigen. Jetzt arbeiten wir am Programm, das noch im Juni vorgestellt werden soll.
Wie wichtig ist so ein Wahlprogramm überhaupt?
Es ist unabdingbar, dass wir uns gemeinsam mit der CSU auf ein programmatisches Konzept für die Wahl und die Regierungszeit danach verständigen – auch für die Geschlossenheit. Ich denke dennoch, dass wir hier umdenken müssen. Das letzte Programm für die Bundestagswahl 2017 hatte 75 Seiten, auf denen für jeden irgendetwas drin war, das aber kaum jemand gelesen hat. Wir sollten uns jetzt auf unsere wichtigsten Kernziele verständigen und diese möglichst prägnant auf wenigen Seiten in Hauptsätzen aufschreiben.
Nicht nur die Umfragen sehen die Grünen vorn. Auch „Deutschlands Entscheider wollen Annalena Baerbock“ titelte die WirtschaftsWoche im April. Parallel geißeln nicht nur die großen Wirtschaftsverbände das Wahlprogramm der Grünen, es sei durchzogen von einem prinzipiellen Misstrauen gegen marktwirtschaftliche Mechanismen und Akteure. Wie passt das zusammen?
Die Unternehmer und Arbeitnehmer im Land sehnen sich nach einem Neuanfang. Diesen Neuanfang verbinden derzeit viele Wähler eher mit den Grünen, die nicht in der Verantwortung stehen. Ich bin aber überzeugt, dass eine Mehrheit in diesem Land erkennt, dass die Grünen eine im Kern linke Partei sind, die für mehr Umverteilung, Staatsdirigismus und identitätspolitischen Furor steht. Es kommt jetzt auf uns als Union an, mit einem neuen Team und frischen Ideen die Debatten bis zur Bundestagswahl zu dominieren.
Ist die CDU auf Bundesebene trotzdem bereit für eine Koalition mit den Grünen?
Die CDU ist immer bereit, Verantwortung zu übernehmen. Entscheidend ist, dass man sich auf ein tragfähiges Konzept für die Legislaturperiode einigen kann. Ich würde eine Koalition mit der FDP immer einer Koalition mit den Grünen vorziehen. Am Ende entscheiden die Wähler.
Auch als Juniorpartner?
Nein, das ist für mich persönlich schwer vorstellbar. Würden SPD und FDP die Regierung stellen und die Union würde bei der Wahl hinter den Grünen an zweiter Stelle landen, müssten wir uns der Verantwortung stellen. Wenn wir es aber aus der Regierung heraus nicht schaffen, die Wähler erneut von uns zu überzeugen, dann sind wir abgewählt. Dann wären wir besser beraten, uns in der Opposition zu erneuern. Ich kämpfe aber in den nächsten Monaten nach Kräften darum, dass wir eine Mehrheit im Land von uns überzeugen werden.
Falls die Union die Kurve in den Umfragen nicht mehr kriegt – können Sie sich vorstellen, den Kanzlerkandidaten auf der Zielgeraden noch zu wechseln?
Ich bin sicher, dass wir uns diese Frage nicht stellen werden. Armin Laschet ist ein starker Kandidat und er hat bewiesen, dass er eine Wahl trotz Gegenwind gewinnen kann. Übrigens liegt die Union in den Umfragen derzeit wieder vorn. Das zeigt, dass wir uns nicht wie das Fähnchen im Winde Kritikern beugen müssen, sondern verlässlich zu unseren Entscheidungen stehen können.
Das Interview führte Christian Kleff
Information über Dr. Carsten Linemann:
Linnemann wurde am 10. August 1977 in Paderborn geboren. Nach Abitur und Wehrdienst arbeitete er zunächst für ein Jahr in der Buchhandlung seiner Eltern in Paderborn. Im Anschluss studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule der Wirtschaft in Paderborn und beendete 2006 sein Promotionsstudium in Volkswirtschaftslehre. Als Volkswirt arbeitete er danach bei der Deutschen Bank Research sowie bei der IKB Deutsche Industriebank in Düsseldorf. Seit 2009 ist Linnemann Mitglied des Deutschen Bundestages und vertritt dort den Wahlkreis Paderborn und Schloß Holte-Stukenbrock. Im Herbst 2013 wurde er zum Bundesvorsitzenden der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU/CSU gewählt, parallel zog er in den Bundesvorstand der CDU Deutschlands ein. Seit März 2018 ist Linnemann stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Bereich Wirtschaft, Mittelstand und Tourismus.
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