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WeiterlesenDuisburger Familienbetrieb weltweit und in vierter Generation tätig
Ein Kurzschluss an einem Sonntag im Jahr 2009 – und das Lebenswerk von vier Generationen der Familie Fliess war im Duisburger Himmel zerstoben. Heute, sechs Jahre nach dem existenzbedrohenden Brand und genau 100 Jahre nach der Firmengründung, marschiert Seniorchef Henning H. Fliess zielstrebig über das riesige Firmengelände beiderseits der Essensberger Straße am Parallelhafen in Duisburg. „Was fühlen Sie, wenn Sie all‘ das hier sehen: Stolz?“ Ein Lächeln, eine ausladende Bewegung: „Das hier? Kenn‘ ich!“
Trotz seiner 74 Jahre – sein Sohn Alexander H. Fliess, ebenfalls Geschäftsführer, managt mittlerweile das Tagesgeschäft – ist er fast täglich im Betrieb. Wie seine Westentasche kennt der Kaufmann, der die Geschicke der Hermann Fliess & Co. GmbH seit 1962 führt, den Ablauf vom Grundmaterial bis zum versandfertigen Produkt. Von deutschen Stahlwerken kommt der Walzdraht, der in 80 Qualitäten und mit mehreren Tausend Tonnen bevorratet wird, um kurze Lieferzeiten sicherzustellen. Vom Lager aus geht es nur wenige Meter weiter in die „Drahtzugmaschinen“, also meterlangen Aufbauten, die den Durchmesser des Drahts verringern. Da wird der Draht durch Ziehsteine in immer dünnere Abmessungen gezogen. Es rumpelt und rattert, Meter für Meter heizt sich das Material durch die mechanischen Kräfte auf. Nach dem Verlassen der Kupferbäder entstehen Schweißdrähte von 6 0,8 Millimeter. „Die Ziehgeschwindigkeit ist ein Betriebsgeheimnis“, sagt Fliess, „sie ist aber sehr hoch für den Umstand, dass die Kupfer-Auflage im genau definierten mµ-Bereich aufgetragen wird.
Während einige Kunden das Material in 1.000-Kilogramm-Einheiten erhalten, ordern andere Schweißzusätze, die in der 1988 gebauten Halle auf der gegenüberliegenden Straßenseite hergestellt werden. Hier wird der gezogene Draht weiter verarbeitet, entweder zu Stäben mit Prägungen für die Qualitätsbezeichnung, oder auf Spulen für die Automatenschweißungen oder aber zum Wickeln in große Fässer für die Roboterschweißung. Angewendet werden die Duisburger Schweißdrähte in vielen Branchen, etwa für Mobilkrane, Kraftwerke, Brückenbauten, Pipelines, Offshoreanlagen oder auch Windtürme. „Wir haben Kunden in der ganzen Welt“, wobei Alexander H. Fliess betont, dass er sich verstärkt auf den Markt vor der Haustüre konzentriere. Der Betriebswirt, der seit 2005 im Familienbetrieb tätig ist, sagt: „Duisburg ist unser Knotenpunkt, hier kaufen wir selbst ein, nur unsere Käufer sind hierzulande unterrepräsentiert.“ Zum Standort bekannte sich die Familie auch nach dem Brand, wobei Abwanderungsüberlegungen Richtung linker Niederrhein durchgespielt worden waren.
Schritt für Schritt ging Fliess in den 100 Jahren Firmengeschichte die schweißtechnische Entwicklung mit: vom autogenen Schweißstab über die ummantelte Stabelektrode bis zu den Automatendrähten für das Unterpulver (UP)-Schweißen und Schutzgasschweißen (MIG/MAG) sowie für Stäbe für das Wolframinertgaschweißen (WIG). „Bei unseren Produkten setzen wir auf Qualität, nicht auf den günstigsten Preis“, fasst der Seniorchef die Philosophie des Familienunternehmens zusammen, das sich dem Wettbewerb billiger Drähte aus der Türkei oder China stellen muss. „Unser Spielraum für einen höheren Preis resultiert aus der gleichbleibenden Qualität mit geringsten Toleranzen“, erläutert Henning H. Fliess. Hier spielt ihm die Automatisierung in vielen Produktionen in die Karten, wo Roboter das Schweißen übernehmen: „Entscheidend ist die Prozessgenauigkeit, ein stehender Roboter ist teuer.“ Dazu liefere Fliess den hochwertigen Draht. Güte und Qualität werden deswegen laufend – sowohl beim Eingangs- als auch beim Endprodukt – in der firmeneigenen Qualitätskontrolle genau untersucht.
Als Technischer Leiter zeichnet Dr.-Ing. Albrecht Borner mitverantwortlich in der Geschäftsleitung, die er als Fachmann der Eisenhüttenkunde ergänzt. „Es gibt immer neue Stahlsorten, neue Oberflächen, neue Verkupferungen; Schweißdrähte müssen sich da anpassen und zugleich immer besser werden“. Eine Herausforderung, so Henning Fliess, die man mit dem Know-how der Mitarbeiter, dem Engagement in der hiesigen Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt (SLV Duisburg) – Mitbegründer ist Friedrich H. Fliess – und durch Forschungsprojekte an Hochschulen meistere. Wenn auch nicht wie er 53 Jahre, aber teils über 40 Jahre, seien Mitarbeiter im Betrieb auch schon in zweiter Generation. So begleitete Henning H. Fliess einst die Väter durch ihre Ausbildung zum Drahtzieher und Spuler, deren Söhne jüngst zu Maschinen- und Anlageführern. „Auf circa 18 Jahre ist unsere durchschnittliche Betriebszugehörigkeit angewachsen“, freut sich der Geschäftsführer.
Für beide Geschäftsführer sind Schweißzusätze – in Summe kommt Fliess auf 10.000 Tonnen pro Jahr – auch künftig lohnendes Geschäft: „Verbindungen zu schweißen ist am rationellsten, auch wenn z. B. im Flugzeugbau Verfahren wie Kleben hinzukommen“, weiß Henning Fliess. Die große Herausforderung ihrer Branche, so Alexander H. Fliess, sei der Kostendruck: „Geht es um Stahl, haben wir mit Emissionszertifikaten zu tun, die Kosten für Energie und Personal steigen.“ Außerdem gäbe es europaweit unterschiedliche Standards, weswegen deutsche Unternehmen preislich noch mehr unter Druck stünden. Kein Grund allerdings, nur Pflichterfüller zu sein: „Wir betreiben aktiven Umweltschutz: Unsere Neutralisationsanlage zur Entsorgung der Ziehbäder wirkt weit über die geforderten Werte hinaus; sie gilt als eine der saubersten Anlagen in Deutschland. Und auch bei Wasser- und Energieverbrauch, Lärmschutz und Luftreinhaltung erfüllen wir unsere hochgesteckten Ziele“, berichtet Vater Fliess, der nicht nur deswegen sicher ein Vorbild für die nächsten Unternehmergenerationen sein wird.
Jennifer Middelkamp
Info
Hermann Fliess & Co. GmbH
Essenberger Straße 85-93
47059 Duisburg
0203 31908-0
www.fliess.biz
Dieser Text erschien in der Ausgabe 3/2015 der Verbandszeitung [unternehmen!].
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