Fachinformationen
Legalisierung Cannabiskonsum
Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis am 28.03.2024 veröffentlicht
Am 28. März 2024 ist das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Es umfasst insbesondere das Gesetz zum Umgang mit dem Cannabiskonsum, das u. a. den teilweisen legalen Besitz und Konsum von Cannabis regelt. Trotz erheblicher Bedenken zahlreicher Ministerpräsidenten und der überwiegenden Auffassung der Fachleute aus den Bereichen Medizin, Verkehr, Prävention und der Polizei und Justiz hatte der Bundesrat zuvor das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz - CanG) bereits am 22. März 2024 beschlossen. Der überwiegende Teil des Cannabisgesetzes tritt zum 1. April 2024 in Kraft.
I. Hinweise zu den Auswirkungen der Teillegalisierung des Cannabiskonsums
1. Kein betriebliches Cannabisverbot
Auch ohne ausdrückliches Cannabisverbot dürfen Beschäftigte nicht unter Drogeneinfluss arbeiten. Nach § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 (Anlage 1) ist es Beschäftigten untersagt, sich durch Alkohol, Drogen oder andere berauschende Mittel in einen Zustand zu versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Arbeitgeber dürfen Beschäftigte, die erkennbar unter Cannabiseinfluss stehen, gem. § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 nicht arbeiten lassen.
2. Arbeitsschutz und betriebliche Suchtprävention
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) tritt dafür ein, dass Alkohol und Cannabis am Arbeitsplatz gleichbehandelt wird. In beiden Fällen müsse ein Konsum, der zu Gefährdungen führen kann, ausgeschlossen sein (vgl. Pressemitteilung vom 7. November 2023).
Betriebliche Suchtprävention ist laut DGUV schon seit langem Thema der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Sie unterstützen Unternehmen und Einrichtungen mit Beratung und Informationen zu Auswirkungen des Konsums von Betäubungsmitteln und damit auch von Cannabis. Mit Blick auf die geplanten gesetzlichen Änderungen würden sie die bestehenden Aktivitäten ausbauen - auch im Zusammenspiel mit anderen Akteurinnen und Akteuren in der Prävention. Das Positionspapier der DGUV zum Thema Cannabis (Anlage 2) und die DGUV Information „Suchtprävention in der Arbeitswelt – Handlungsempfehlungen“ mit vielen praktischen Tipps und Eckpunkten zur Gestaltung von Betriebsvereinbarungen (Anlage 3) fügen wir diesem Rundschreiben bei.
3.Durchführung von Drogentests
Drogentests (wie z. B. Urin- und Bluttest; Speichel- und Schweißtest) dürfen ohne Einwilligung der Arbeitnehmer nicht durchgeführt werden. Auch mit Einwilligung des Arbeitnehmers dürfen Drogentests im Rahmen von Einstellungsuntersuchungen nur vorgenommen werden, wenn der Arbeitgeber hieran ein berechtigtes Interesse hat. Ein solches kann dem Arbeitgeber bei gefahrgeneigten Tätigkeiten (z.B. Arbeit an Maschinen) grundsätzlich zugesprochen werden. Allerdings lässt sich aus einem Drogentest kein unmittelbarer Rückschluss auf ein missbräuchliches Konsumverhalten ziehen.
4. Mitbestimmungspflicht bei Erlass von betrieblichem Cannabisverbot
Die Einführung und Umsetzung eines betrieblichen Cannabisverbots unterliegt regelmäßig der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Dies dürfte auch der Fall sein, wenn sich das Verbot nicht nur auf Arbeitszeiten erstreckt, bei denen die Ausübung der Tätigkeiten im berauschten Zustand mit Gefahren für den Beschäftigten selbst oder Dritte mit sich bringen könnte oder das Verbot als solches weitergehende Ordnungsregeln enthält (BAG vom 13. Februar 1990 - 1 ABR 11/89, juris). Ebenso könnte die Verhängung eines Cannabisverbotes mitbestimmungspflichtig sein, wenn die Verbotsregelung zusätzlich umfassende Regelungen zur Kontrolle der Einhaltung des Cannabisverbotes bzw. weitere Maßnahmen zur Dogensuchtprävention oder begleitende therapeutische Maßnahmen Beschäftigten kollektiv vorgibt und infolgedessen nicht allein das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten der Beschäftigten betroffen ist.
Mitbestimmungsfrei könnte dagegen die Verhängung des betrieblichen Cannabisverbots sein, wenn es sich ausschließlich auf die Ausübung bestimmte Arbeitstätigkeiten bezieht, bei denen der Alkohol- und Drogenkonsum ohnehin bereits durch gesetzliche Vorgaben untersagt ist (z.B. nach dem ArbSchG i.V.m. § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1). Diese Rechtsauffassung könnte jedenfalls auf eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Mitbestimmungspflicht bei Einführung eines "sog. Handyverbotes" im Betrieb gestützt werden (vgl. hierzu BAG vom 17. Oktober 2023 – 1 ABR 24/22, DB 2024, 402).
Das BAG hat in dieser Entscheidung im Hinblick auf ein vom Arbeitgeber angeordnetes Nutzungsverbot von Mobiltelefonen und Smartphones im Betrieb entschieden, dass durch die Regelung überwiegend das Arbeitsverhalten betroffen ist und damit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG bestehen dürfte. Das BAG lehnte die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei der Handynutzung während der Arbeitszeit mit der Begründung ab, dass hierdurch allein eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung sichergestellt werden solle. In den Fällen, in den sowohl das Arbeits- als auch das Ordnungsverhalten betroffen sei, komme es für die Einordnung der Mitbestimmungspflicht der Maßnahme auf den objektiven Regelungszweck an. Hierbei solle es unerheblich sein, ob es zu einer konkreten Beeinträchtigung der Arbeitsleistung komme. An seiner früheren Rechtsprechung zum "Verbot des Radiohörens" während der Arbeitszeit, die nach früherer Rechtsprechung ein Mitbestimmungsrecht ausgelöst hatte (vgl. hierzu BAG vom 14. Januar 1986 - 1 ABR 75/83, NZA 1986, 435), hält das BAG ausdrücklich nicht mehr fest (vgl. hierzu BAG vom 17. Oktober 2023 – 1 ABR 24/22 Rdz. 20, DB 2024, 402). Allerdings betraf das "Handyverbot" in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangssituation lediglich einige Arbeitsplätze in der Produktion sowie den Bereichen Versand und Wareneingang. Inwieweit diese Grundsätze auch für ein generelles Cannabisverbot auf dem Betriebs- bzw. Werksgelände zu übertragen sind, ist somit noch nicht entschieden.
Unabhängig von dieser Ausgangslage wird es ohnehin häufig zweckmäßig und sinnvoll sein, gemeinsam mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung eine Regelung zu einem Cannabisverbot zu treffen, da dies zum einen zu einer höheren Akzeptanz und Transparenz des Verbots bei der Belegschaft führen kann. Zum anderen ist wegen der nicht ganz eindeutigen Rechtslage auch nicht auszuschließen, dass ansonsten einzelne Betriebsräte versuchen werden, gemäß § 100 Abs. 1 ArbGG eine Einigungsstelle gerichtlich einsetzen zu lassen, falls Arbeitgeber sie bei der Einführung eines betrieblichen Cannabisverbots nicht beteiligen.
5. Disziplinarische Rechtsfolgen bei Verstößen gegen ein betriebliches Cannabisverbot
Verstoßen Beschäftigte gegen das betriebliche Cannabisverbot, riskieren sie eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung. Erscheinen Beschäftigte unter Cannabiseinfluss zur Arbeit und können sie ihre Arbeitsleistungen infolgedessen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbringen, kann dies auch ohne betriebliches Cannabisverbot eine Abmahnung oder Kündigung rechtfertigen. Sofern Arbeitgeber lediglich bloße Verstöße gegen ein betriebliches Cannabisverbot ahnden wollen, müssen sie neben dem Cannabiskonsum als solchem auch den Zugang des Cannabisverbotes beim Beschäftigten nachweisen können, also dessen Bekanntmachung gegenüber dem Beschäftigten.
6. Auswirkung der Teillegalisierung des Cannabiskonsums auf die Nutzung von Kraftfahrzeugen einschließlich von Dienstfahrzeugen
Das Führen und Fahren eines Fahrzeugs unter Cannabis-Einfluss stellt derzeit "noch" eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG und ggf. eine Straftat nach § 316 StGB dar. Allerdings hat der Bundesverkehrsminister im Laufe des Gesetzgebungsverfahren öffentlich verlautbaren lassen, nach einer Teillegalisierung des Cannabiskonsums Regeln und Grenzwerte für Kraftfahrzeugführer zu schaffen, in denen ähnlich wie bei der Promille-Grenze beim Alkohol zukünftig auch Cannabis-Grenzen für Fahrzeugfahrer festgelegt würden.
Das Bundesverkehrsministerium beabsichtigt, für die Nutzung von Fahrzeugen im Straßenverkehr Grenzwerte festzulegen. In tatsächlicher Hinsicht dürfte dies auch schwierig sein, da nach Angaben der Deutschen Verkehrswacht (DVV) - anders als beim Alkoholkonsum - der Cannabis-Wirkstoff THC sich einerseits nicht linear im Körper abbaut und anderseits keine gesicherte Dosis-Wirkungsbeziehungen oder Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen existieren, wie dies bei Alkoholkonsum der Fall ist. Cannabiskonsum beeinträchtigt aber die Konzentrationsfähigkeit und psychomotorische Leistungsfähigkeit. Dieser Gesichtspunkt wird möglicherweise auch bei der Abwicklung von Unfallschäden mit Fahrzeugen zu Lasten des Fahrzeugführers - unabhängig von der Teillegalisierung des Cannabiskonsums – bei der Frage des Mitverschuldens des Fahrzeugführers von Bedeutung sein. Cannabiskonsumenten müssen deshalb damit rechnen, dass Versicherungen und Berufsgenossenschaften bei belegbaren cannabisbedingten Ausfallerscheinungen keine bzw. allenfalls eingeschränkte Versicherungsleistungen erbringen werden.
Eine unabhängige Expertengruppe hat im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums hierfür am
28. März 2024 inzwischen Grenzwerte vorgeschlagen (3,5 ng/ml THC):
Es bleibt abzuwarten, ob die vorgeschlagenen Grenzwerte demnächst in eine gesetzliche Regelung aufgenommen werden. Hierüber werden wir Sie unterrichten.
Im Hinblick auf die Nutzung von Dienstfahrzeugen und Fahrzeugen auf den Betriebsgeländen sowie allgemein im Hinblick auf Dienstfahrten kann es gleichwohl sinnvoll sein, die Beschäftigten ausdrücklich auf die oben beschriebene Risikolage bei Nutzung von Fahrzeugen hinzuweisen. In den KFZ-Überlassungsverträgen von Dienstfahrzeugen sollte zumindest der Hinweis enthalten sein, dass das Fahrzeug nur in einem fahrtüchtigen Zustand geführt werden darf.
II. Ergänzung bestehender Betriebsvereinbarungen und Belegschaftsbrief
Im Ergebnis ist der Cannabiskonsum arbeitsrechtlich nicht anders zu bewerten als der Konsum von Alkohol. Bereits bestehende Betriebsvereinbarungen zum Alkoholverbot sollten hinsichtlich des Cannabiskonsums ggf. aktualisiert und ergänzt werden.
Muster für Betriebsvereinbarungen über ein Cannabisverbot (Anlage 4), ein kombiniertes Alkohol- und Drogen-/Cannabisverbot (Anlage 5) sowie zur Suchtprävention im Betrieb (Anlage 6) fügen wir diesem Rundschreiben bei. Betriebsratslose Betriebe können ein Cannabisverbot in Form von Arbeitsanweisungen aussprechen oder in einer Richtlinie ihren Beschäftigten bekannt geben oder zukünftig als Regelung in ihre Arbeitsverträge aufnehmen. In Streitfällen müssten Arbeitgeber allerdings auch den Zugang der Anweisung bzw. Richtlinien bei Beschäftigten nachweisen können.
Unternehmen können ihre Belegschaften auch über die aktuelle Rechtslage und ihre Auswirkungen sowie auf ein ggf. im Betrieb bestehenden Cannabisverbot informieren. Zu diesem Zweck stellen wir Ihnen anliegend ein abstraktes Muster für ein Belegschaftsschreiben zur Verfügung (Anlage 7). Das Muster muss naturgemäß an die rechtlich und tatsächlich bestehenden Bedingungen im jeweiligen Betrieb angepasst werden.
Weiterhin finden Sie Hinweise mit einer ausdifferenzierten Darstellung zur Mitbestimmungspflicht bei betrieblichen Cannabisverboten sowie zur Nutzung von Dienstfahrzeugen als Anlage 8 beigefügt.
Das heute im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Cannabisgesetz fügen wir diesem Rundschreiben bei (Anlage 9).
Für Fragen stehen wir Ihnen gerne zur weiteren Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Katharina Weber
Rechtsanwältin
(Syndikusrechtsanwältin)
Ansprechpartner für die Presse




Jennifer Middelkamp
Pressesprecherin
Regionalgeschäftsführung Kreise Borken | Kleve



