2022

Gutachten zum Rentenversicherungsbericht 2022

Der Sozialbeirat hat der Bundesregierung am 29. November 2022 sein Gutachten zum Rentenversicherungsbericht 2022 übergeben.

 

Entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag nimmt der Sozialbeirat, der aus Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeber, Rentenversicherten, Wissenschaft und Bundesbank besteht, jährlich Stellung zum Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung.

Zu den Vorausberechnungen im Rentenversicherungsbericht nimmt der Sozialbeirat in Kapitel II seines Gutachtens Stellung. Auf folgende Aussagen weisen wir besonders hin:

  • Der Sozialbeirat kritisiert die beschlossene Ausweitung des sog. Übergangsbereichs (Midijobs) von 1.300 € auf 2.000 € pro Monat: Es fehle eine Begründung, weshalb implizit Anreize zur Teilzeitarbeit geschaffen würden. Zudem sei die damit verbundene Begünstigung von Teilzeitbeschäftigten wenig zielgenau, weil sie Teilzeitbeschäftigte unabhängig von ihrem individuellen Einkommen entlaste (Rz. 12).
  • Er hält die im neuen Rentenversicherungsbericht zugrunde gelegten günstigeren demografischen Annahmen (weniger stark steigende Lebenserwartung, mehr Nettozuwanderung) für plausibel, weist aber darauf hin, dass gerade die Annahmen zur Migration mit einer hohen Unsicherheit verbunden sind (Rz. 15).
  • Er teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass sich die Rentenversicherung derzeit finanziell „sehr robust“ zeige (Rz. 17).
  • Für die langfristige Entwicklung stellt der Sozialbeirat fest, dass sich die Nachhaltigkeitsrücklage voraussichtlich ab 2027 und danach durchgängig bis zum Ende des Vorausberechnungszeitraums 2036 zum Jahresende jeweils im Bereich ihres Mindestwerts von 0,2 Monatsausgaben bewegen wird. Insbesondere bei unerwarteten Wirtschaftseinbrüchen drohen damit unterjährige Liquiditätsengpässe bei den Rentenversicherungsträgern. Vor diesem Hintergrund unterstützt der Sozialbeirat, wie in den vergangenen Jahren schon, den Vorschlag der Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ vom März 2020. Dieser sieht vor, die Mindestrücklage auf 0,3 Monatsausgaben anzuheben und den Bundeszuschuss statt wie bisher in zwölf künftig in elf gleichen Raten bis November auszuzahlen (Rz. 24).
  • Außerdem regt der Sozialbeirat an, den Vorausberechnungszeitraum des Rentenversicherungsberichts auszuweiten. Um insbesondere langfristige Auswirkungen bestimmter demografischer Annahmen auf die gesetzliche Rentenversicherung abschätzen zu können, ist der aktuelle Zeitraum von 15 Jahren vergleichsweise kurz. Gerade bei der Rentenversicherung, bei der zwischen erstmaliger Beitragszahlung und letzter Rentenleistung regelmäßig weit mehr als ein halbes Jahrhundert liegt, erscheine dies notwendig (Rz. 31).

Das Gutachten des Sozialbeirats enthält in Kapitel III eine Stellungnahme zum Bericht zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre. Der Bericht soll alle vier Jahre über die Entwicklung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer informieren – vor dem Hintergrund der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre.

  • Der Sozialbeirat begrüßt die Bemühungen der Bundesregierung, die tatsächlichen Wirkungen der Altersgrenzenanhebung darzustellen. Zugleich fordert er aber auch, dass der Bericht neben Durchschnittswerten noch stärker die Verteilung berücksichtigen würde. Dies würde es ermöglichen, die Vielfalt der Übergänge und gegebenenfalls hieraus resultierenden Handlungsbedarf zu erkennen.
  • Die allgemeine Situation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Hinblick auf Erwerbsbeteiligung, Qualifikation und Gesundheit hat sich im Vergleich zum dritten Bericht aus dem Jahr 2018 weiter positiv entwickelt (Rz. 34).
  • Die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen hat sich von 19,6 % im Jahr 2000 auf 61,8 % im Jahr 2019 mehr als verdreifacht. Auch die Erwerbsbeteiligung der 65- bis 69- Jährigen ist im betrachteten Zeitraum ähnlich stark gestiegen. Sie lag 2019 bei 17,9 %. Seit 2019 stagniert diese Entwicklung aber (Rz. 35).
  • Die Daten zeigen, dass die empfundene physische Fehlbeanspruchung in den letzten 50 Jahren zwar leicht rückläufig war - gerade auch bei älteren Beschäftigten - umgekehrt aber die empfundene psychische Fehlbeanspruchung durch Zeitdruck und parallele Aufgabenerledigung deutlich zugenommen hat. Aus Sicht des Sozialbeirats gilt es, durch Arbeits- und Gesundheitsschutz Fehlbeanspruchungen weiter zu reduzieren (Rz. 39).
  • In diesem Zusammenhang regt der Sozialbeirat an, dass die Bundesregierung in dem Bericht das Geschehen rund um Erwerbs- und Leistungsminderungen stärker betrachtet, denn die Erhöhung der Regelaltersgrenze kann zu Wechselwirkungen mit einem Übergang in die Erwerbsminderung führen (Rz. 40).
  • Der Sozialbeirat begrüßt den Schritt zur Vereinfachung durch den geplanten Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen, wie er sie bereits im Gutachten 2018 (dort Rz. 35) forderte. Aus seiner Sicht sind aber einige Fragen zu bedenken und ergänzende Regelungen zu treffen (Rz. 44).

In Kapitel IV widmet sich der Sozialbeirat einer Stellungnahme zur Kapitaldeckung in der Altersvorsorge. Er nimmt die vagen Ausführungen des Koalitionsvertrags zum Anlass sich ausführlicher mit dem Für und Wider von Kapitaldeckung, mit Durchführungsformen und Finanzierung der Kapitaldeckung, Art und Zielen der Kapitalanlage sowie der Frage der Verbindlichkeit kapitalgedeckter Vorsorgeformen zu beschäftigen, um zu einer fundierten Entscheidungsgrundlage beizutragen.

  • Im Gegensatz zum umlagefinanzierten Rentensystem kann die intergenerationale Ungleichheit bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge ohne geeignete Vorkehrungen erheblich ausfallen. Denn die Renditen unterschieden sich in der Vergangenheit deutlich nach Kohorte und Rentenzugangsjahr (Rz. 61).
  • Der Sozialbeirat weist darauf hin, dass sich eine Verzinsung von 4,0 %, wie sie zum Zeitpunkt der Reform für die private Altersvorsorge angenommen wurde (vgl. BMAS 2001), zumindest im Zinsumfeld der vergangenen Jahre für die gegenwärtig förderfähigen Produkte als zu hoch erwiesen hat (Rz. 65).

Das vollständige Gutachten können Sie unter diesem Link herunterladen.

 

 

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