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Die Verdachtskündigung

Beim Arbeitskreis Personal referierte Anja Ulrich, Direktorin des Arbeitsgerichts Duisburg, über Voraussetzungen, Fallstricke und aktuelle Gerichtsentscheidungen

 

Ein verdächtig hoher Kassenüberschuss bei einer Servicekraft, pornografische Bilder auf dem Computer eines Kindergarten-Leiters, der Verkauf von Einmalhandschuhen an einen Krankenhaus-Fahrer… Wenn in einem solchen Fall eine Verdachtskündigung ausgesprochen wird, begeben sich die Arbeitgeber in einen hochbrisanten Bereich des Arbeitsrechts. Über Voraussetzungen, Fallstricke und aktuelle Gerichtsentscheidungen berichtete in dieser Woche Anja Ulrich, Direktorin des Arbeitsgerichts Duisburg. Zu ihrem Vortrag der juristischen Praxis rund um die Verdachtskündigung hatten wir unseren Arbeitskreis Personal eingeladen, bei dem regelmäßig Fach- und Führungskräfte aus unseren Mitgliedsunternehmen im HAUS DER UNTERNEHMER zusammenkommen. 

Verdachtskündigung: Zwischen Vertrauen und Rechtsstaat

Kann ein Arbeitnehmer wegen eines Verdachts fristlos entlassen werden? Diese Grundsatzfrage beantwortete Ulrich mit einem klaren Ja – unter strengen Bedingungen. Besonders dann, wenn das Vertrauensverhältnis nachhaltig erschüttert ist und Tatsachen einen schwerwiegenden Verdacht begründen, darf der Arbeitgeber diesen Schritt gehen. „Die Verdachtskündigung feiert im nächsten Jahr ihren 70. Geburtstag“, hob Ulrich hervor. Laut Bundesarbeitsgericht handelt es sich um eine eigenständige Variante der personenbedingten Kündigung, wobei der Verdacht konkret und dringend sein muss.

Praxisnahe Fälle sorgen für Diskussion

Anhand zahlreicher Praxisbeispiele verdeutlichte Ulrich die Problemfelder: Der Leiter eines Kindergartens mit kinderpornografischem Material auf dem Computer, eine Servicekraft mit verdächtigem Kassenüberschuss – stets steht der Arbeitgeber vor der Herausforderung, harte Verdachtsmomente ohne vollständigen Beweis zu bewältigen. Im Falle des Kita-Leiters genügte der Besitz belastender Bilddateien, um das nötige Vertrauen unwiederbringlich zu zerstören. Die Gerichte verlangten jedoch stets eine sorgfältige Sachverhaltsaufklärung und die Anhörung des Arbeitnehmers – die Unschuldsvermutung des Strafrechts steht einer Kündigung im Arbeitsrecht nicht entgegen.

Auch bei einer Pflegehelferin, die den Wechsel nahezu aller Heimbewohner zum neuen Arbeitgeber begleitete, scheiterte der Arbeitgeber: Für die Verdachtskündigung fehlte die erforderliche vorherige Anhörung der Beschäftigten.

Sorgfältige Ermittlungen und Betriebsrat zwingend

Der rechtliche Rahmen ist eng gesteckt: Die Verdachtsmomente müssen konkret, umfassend ermittelt und möglichst voll bewiesen sein. Wesentlich ist die Anhörung des Arbeitnehmers sowie des Betriebsrats – hier gilt das Prinzip vollständiger Information. Kommt ein Verdacht während eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens auf, darf der Arbeitgeber die Ergebnisse abwarten oder eigene Nachforschungen starten. Die Kündigung muss jedoch stets innerhalb einer kurzen Frist erfolgen – in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach zügiger Aufklärung des Sachverhalts.

Aktuelle Entscheidungen und Tendenzen

In der jüngsten Rechtsprechung befasste sich das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Kokainkonsum eines Betriebsratsmitglieds. Die Klage wurde abgewiesen, weil die Indizien für den Drogenverdacht überwogen. In einem anderen Fall um den Verkauf von Einmalhandschuhen an einen Fahrer eines Krankenhauses überzeugten Zeugenaussagen und die widersprüchliche Erklärung der Klägerin das Gericht – auch hier wurde die Klage abgewiesen. Letztlich unterstrich Ulrich: Die Verdachtskündigung bleibt ein scharfes Schwert, für dessen Einsatz Sachverhaltsaufklärung, Anhörung und korrekte Betriebsratsinformation zwingend erforderlich sind.

Die Veranstaltung zeigte, wie schmal der rechtliche Grat zwischen Schutz unberechtigter Kündigung und der Absicherung des Arbeitgebers im Verdachtsfall ist – und wie sorgfältig Gerichte in der Praxis abwägen.

Unser Experte:

Peter Wieseler

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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