Fachinformationen
Arbeitsrechtliche Vorhaben im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD für die 21. Legislaturperiode "Verantwortung für Deutschland"
Ergänzend zum bereits vorliegenden Koalitionsvertrag, der hier auch noch einmal als Anlage beigefügt ist, weisen wir auf einige Punkte aus arbeitsrechtlicher Sicht hin, die wir nachfolgend etwas ausführlicher beleuchten möchten.
Im Koalitionsvertrag mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ werden unter der Rubrik „1.2. Arbeit und Soziales“ ab Randnummer 543 die arbeitsrechtlichen Vorhaben formuliert.
1. Gesetzlicher Mindestlohn
Auf Seite 18 des Koalitionsvertrages (Rn. 545 ff.) heißt es:
Wir stehen zum gesetzlichen Mindestlohn. Die Entwicklung des Mindestlohns muss einen Beitrag zu stärkerer Kaufkraft und einer stabilen Binnennachfrage in Deutschland leisten. An einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission halten wir fest. Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.
Positiv zu bewerten ist, dass man an einer unabhängigen Mindestlohnkommission festhalten will. Allerdings wird die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission durch die Formulierung eines Mindestlohns in Höhe von 15 Euro im Jahr 2026 als mögliche Zielgröße beeinträchtigt. Klar ist auch, dass jede Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns die tariflichen Löhne nach oben treibt. Es ist zu erwarten, dass die Gewerkschaften einen deutlich erhöhten Mindestlohn als Argument für generelle Lohnerhöhungen nutzen werden. Im Ergebnis würde dies eine Erhöhung in allen Entgeltgruppen nach sich ziehen, um die finanziellen Abstände der einzelnen Lohngruppen untereinander zu wahren, wenn das Stundenentgelt der untersten Lohngruppe auf einen erhöhten Mindestlohn von etwa 15 Euro anzuheben wäre. Denn jede Einmischung in die Arbeit der Mindestlohnkommission ist ein Eingriff in die Tarifautonomie, die sich gegen die vom Grundgesetz geschützte Sozialpartnerschaft richtet.
2. Arbeitszeit
Einige Änderungen erwarten uns im Arbeitszeitrecht, auch wenn die notwendige umfassende Reform des Arbeitszeitgesetzes leider (wieder) nicht zu erwarten ist.
Wöchentliche Höchstarbeitszeit:
Immerhin erkennt die Koalition an, dass sich Unternehmen und auch Beschäftigte mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit wünschen. Ab Randnummer 558 heißt es:
Deshalb wollen wir im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen – auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zur konkreten Ausgestaltung werden wir einen Dialog mit den Sozialpartnern durchführen.
Die EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) sieht eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden im 7 Tages-Zeitraum vor. Eine tägliche Höchstarbeitszeit sieht die EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) konkret nicht vor, sondern nur indirekt, nämlich aufgrund der Geltung der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden. Auch nach dem Koalitionsvertrag soll die nach § 5 Arbeitszeitgesetz geltende tägliche Ruhezeit von 11 Stunden ausdrücklich beibehalten werden (Rn. 566). Dadurch sind der Flexibilität bereits Grenzen gesetzt. Die Forderung der SPD, dass Voraussetzung für die Nutzung der wöchentlichen Arbeitszeit nur durch oder auf der Grundlage eines Tarifvertrages möglich sein soll, hat es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft, so dass die Hoffnung besteht, dass alle Arbeitgeber – unabhängig von einer Tarifbindung - diese Möglichkeit zukünftig nutzen können. Zur konkreten Ausgestaltung soll aber noch ein Sozialpartnerdialog durchgeführt werden.
Arbeitszeiterfassung:
Ab Randnummer 561 finden sich die Vorhaben der Koalition zur Arbeitszeiterfassung:
Wir werden die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten unbürokratisch regeln und dabei für kleine und mittlere Unternehmen angemessene Übergangsregeln vorsehen. Die Vertrauensarbeitszeit bleibt ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich.
Das BAG entschied am 13.09.2022, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet seien, Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen (BAG vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21, NZA 2022, 1616). Das BAG hatte auch festgestellt, dass die EU-Arbeitszeitrichtline (2003/88/EG) nicht zwingend eine elektronische Zeiterfassung fordere. Aufzeichnungen in Papierform genügen, so das BAG. Die Arbeitgeber sind der Auffassung, dass entgegen der Entscheidung des BAG aktuell keine gesetzliche Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten besteht. Das wird sich wahrscheinlich zukünftig ändern, denn die Koalition will nun eine solche Pflicht gesetzlich einführen, und zwar als verpflichtende elektronische Arbeitszeiterfassung. Dies soll „unbürokratisch“ geschehen. Die klassischen Stundenzettel in Papierform könnten daher bald Geschichte sein. Für kleine und mittlere Unternehmen sollen zumindest Übergangsregelungen geschaffen werden. Einen kleinen Lichtblick gibt es immerhin. Denn die Vertrauensarbeitszeit soll ohne Zeiterfassung in Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich bleiben, was auch immer das konkret heißt.
3. Tarifrecht
Bereits die vorherige Ampelregierung plante die Einführung eines Bundestariftreuegesetzes. Dieses Vorhaben wurde von der neuen Koalition wieder aufgegriffen (Rn. 553).
Deswegen werden wir ein Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen. Das Bundestariftreuegesetz gilt für Vergaben auf Bundesebene ab 50.000 Euro und für Startups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 Euro. Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen werden wir auf ein absolutes Minimum begrenzen.
Wir bewerten dieses Vorhaben nicht positiv. Ein staatlicher Tarifzwang durch ein Bundestariftreuegesetz erscheint ungeeignet, die Tarifbindung zu stärken.
4. Betriebsverfassungsrecht
Veränderungen wird es auch im Betriebsverfassungsrecht geben.
Weiterentwicklung der Mitbestimmung:
Unter Randnummer 579 heißt es:
Wir werden die Mitbestimmung weiterentwickeln.
Ob sich diese Ankündigung auf die nachfolgenden Punkte bezieht oder ob dies eine darüberhinausgehende Ankündigung ist, ist unklar. Aus unserer Sicht darf eine „Weiterentwicklung“ der Mitbestimmung jedenfalls nicht zu einer weiteren Bürokratisierung und Einschränkung betrieblicher Handlungsspielräume führen.
Es nach wie vor notwendig, dass die neue Regierung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen endlich digitalisierungsgerecht anpasst. Dies sollte durch eine gesetzliche Klarstellung erfolgen, und zwar dahingehend, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nur bei tatsächlich beabsichtigter Verhaltens- und Leistungsüberwachung durch den Arbeitgeber besteht. Die ständige Rechtsprechung des BAG geht entgegen dem Wortlaut der Norm nämlich bereits von einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus, wenn die technische Einrichtung objektiv geeignet ist, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen (ständige Rspr. des BAG seit BAG, Beschluss vom 09.09.1975 - 1 ABR 20/74, NJW 1976, 261). Dies führt in der Praxis zu enormen Verzögerungen und teilweise gänzlicher Verhinderung der Einführung von erforderlicher Technologie in Unternehmen.
Online-Formate und Online-Wahlen:
Begrüßenswert ist es, dass die Koalition plant, Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen als gleichwertige Alternative zu Präsenzformaten zu ermöglichen (Rn. 579ff.).
Online-Betriebsratssitzungen sind nach § 30 Abs. 2 BetrVG bereits heute schon – unter gewissen Voraussetzungen – möglich. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass zukünftig die Vorgaben für die Zulässigkeit von Online-Sitzungen abgesenkt werden sollen und Online-Betriebsratssitzungen ohne besondere Voraussetzungen möglich sein sollen. Dies könnte auch eine Belastung durch Reisezeiten von Betriebsratsmitgliedern zu Betriebsratssitzungen verringern. Ebenso positiv ist zu bewerten, im BetrVG die Option online zu wählen zu verankern.
Digitales Zugangsrecht der Gewerkschaften:
Das, was das BAG gerade mit der Entscheidung vom 28.01.2025 (BAG vom 28.01.2025 – 1 AZR 33/24, Pressemitteilung des BAG vom 28.01.2025, Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht) zur aktuellen Rechtslage abgelehnt hatte, soll nun gesetzlich festgeschrieben werden. Das BAG hatte unter anderem die Forderung der klagenden Gewerkschaft auf Herausgabe der E-Mail-Adressen aller Beschäftigten und regelmäßiger Aktualisierung des E-Mail-Verteilers durch den Arbeitgeber für die Mitgliederwerbung, abgelehnt. Das BAG verneinte in dieser Entscheidung zu Recht ein digitales Zugangsrecht der Gewerkschaften aus Art. 9 Abs. 3 GG und begründete dies unter Anwendung der tradierten Grundsätze zum Ausgleich kollidierender Verfassungsgüter (Winzer, FD-ArbR 2025, 803106). Nun heißt es allerdings im Koalitionsvertrag:
Wir ergänzen das Zugangsrecht der Gewerkschaften in die Betriebe um einen digitalen Zugang, der ihren analogen Rechten entspricht.
Die konkrete gesetzliche Umsetzung bleibt abzuwarten. Hier droht, leider wieder, erheblicher bürokratischer Aufwand für die Arbeitgeber (Rn. 582).
5. Befristungsrecht
Einige Neuerungen sind im Befristungsrecht zu erwarten.
Abschaffung der Schriftform bei Befristungen:
Nach dem Koalitionsvertrag soll der Abbau von Schriftformerfordernissen, insbesondere im Arbeitsrecht (zum Beispiel bei Befristungen) vorgenommen werden (Rn. 339).
Nach heute geltendem Recht bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 4 TzBfG grundsätzlich der Schriftform. Nach überwiegender Meinung kann gesetzliche Schriftform aus § 14 Abs. 4 TzBfG nach § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form ersetzt werden (ArbG Berlin vom 28.09.2021 – 36 Ca 15296/20, BeckRS 2021, 32016; ErfK/Müller-Glöge TzBfG § 14 Rn. 114; Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus TzBfG § 14 Rn. 694; Laux/Schlachter/Schlachter TzBfG § 14 Rn. 161). Aber gemäß § 126a Abs. 2 BGB müssen die Vertragsparteien das elektronische Vertragsdokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) nach der eIDAS-VO (EU-Verordnung Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG) versehen. Da heute die wenigsten Arbeitnehmer über eine solche qeS verfügen, bleibt es in der Praxis in der Regel bei der Schriftform mit sogenannter „Nasssignatur“ auf einem Papierdokument. Unternehmen mit digitalen Personalakten müssen diese Dokumente heute als Papierdokument verwahren, was unnötigen Aufwand verursacht.
Es ist also positiv zu bewerten, dass hier die Koalition zukünftig eine umfassende Digitalisierung ermöglichen will.
Rentnerbeschäftigung:
Ebenfalls positiv zu bewerten ist, dass zukünftig das Vorbeschäftigungsverbot gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG bei einer sachgrundlosen Anschlussbefristung beim bisherigen Arbeitgeber nach Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschafft werden soll (Rn. 614).
Wir erleichtern die Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nach Erreichen der Regelaltersgrenze, indem wir das Vorbeschäftigungsverbot aufheben und dadurch befristetes Weiterarbeiten ermöglichen.
Das „Vorbeschäftigungsverbot“ oder „Anschlussverbot“ ist aktuell in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verankert. Danach ist eine sachgrundlose Befristung unzulässig, wenn zuvor mit demselben Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ohne einen konkreten sachlichen Grund ist daher nach der heutigen gesetzlichen Regelung eine Rückkehr von Rentnern im Rahmen einer befristeten Beschäftigung nicht möglich. Das soll zukünftig erleichtert werden.
Wünschenswert wäre noch eine gesetzliche Klarstellung, dass im Rahmen einer Vereinbarung nach § 41 Abs. 1 S. 3 SGB VI (Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts zum Erreichen der Regelaltersgrenze) gleichzeitig die Arbeitsbedingungen verändert werden können, ohne die Wirksamkeit der Vereinbarung zu gefährden. (in der Entscheidung BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 7 AZR 70/17, NZA 2019, 523 hat das BAG ausdrücklich offengelassen, ob das Tatbestandsmerkmal des Hinausschiebens des Beendigungszeitpunkts im Sinne von § 41 S. 3 SGB VI voraussetzt, dass nur die Vertragslaufzeit verlängert wird und der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibt). Bisher ist für eine rechtssichere Vorgehensweise eine separate Vereinbarung mit der einer zeitlichen Zäsur (vor oder nach der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts) notwendig. Dies ist für die Arbeitnehmer oft unverständlich und schafft zusätzlichen administrativen Aufwand.
Beschäftigung von ehemaligen Studenten:
Nicht nur bei Rentnern, sondern auch bei Personen, die während ihres Studiums bereits bei demselben Arbeitgeber befristet oder unbefristet beschäftigt waren (z.B. im Rahmen eines Minijobs) soll zukünftig eine sachgrundlos befristete Beschäftigung bei Rückkehr zu diesem Arbeitgeber möglich sein (Rn. 2437).
Wir schaffen eine Regelung im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), die Arbeitsverhältnisse während eines Studiums vom Anschlussverbot ausnimmt.
Wie bereits dargestellt, führt heute das „Vorbeschäftigungsverbot“ (bzw. „Anschlussverbot“) aus § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zur Unzulässigkeit der sachgrundlosen Befristung, wenn zuvor mit demselben Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Für Personen, die während des Studiums z.B. während der Semesterferien einen Ferienjob bei einem Arbeitgeber ausgeübt haben, gilt heute für eine sachgrundlos befristete Beschäftigung (auch viele Jahre nach der Studentenbeschäftigung) nach Beendigung des Studiums das Vorbeschäftigungsverbot. Die herrschende Meinung ging zunächst davon aus, dass durch § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ein „lebenslängliches“ Verbot einer Anschlussbefristung (einmal und nie wieder) galt. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 06.06.2018 den Fachgerichten „gestattet“, § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG einschränkend dahin auszulegen, dass eine sachgrundlose Befristung auch nach einer Vorbeschäftigung wieder möglich ist, wenn das Verbot der erneuten sachgrundlosen Befristung für die Vertragsparteien unzumutbar ist (BVerfG vom 06.06.2018 – 1 BvL 7/14 NZA 2018, 774). Das BAG hat danach eine sachgrundlose Befristung aufgrund einer acht Jahre zurückliegenden und eineinhalb Jahre bestandenen Vorbeschäftigung für unzulässig erachtet (BAG vom 23.1.2019 – 7 AZR 733/16 NZA 2019, 700), bei einer 22 Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung eine sachgrundlose Befristung jedoch als zulässig angesehen (BAG vom 21.8.2019 – 7 AZR 452/17 NZA 2020, 40).
Für die Arbeitgeber bedeutet diese Rechtsprechung eine sehr große Unsicherheit bei sachgrundlosen Befristungen mit Vorbeschäftigungen. Im Ergebnis ist daher eine Rückkehr von (ehemaligen) Beschäftigten auf der Grundlage einer befristeten Beschäftigung ohne einen sachlichen Grund nach der heutigen gesetzlichen Regelung rechtssicher nicht möglich. Seit langer Zeit fordert daher die Praxis, dass dringend gesetzliche Klarstellungen beim Vorbeschäftigungsverbot erfolgen.
Es ist daher zu begrüßen, dass die schwarz-rote Koalition diesen Missstand zumindest bei Beschäftigungen während eines Studiums angehen will und diese vom Vorbeschäftigungsverbot ausnehmen will.
6. Infektionsschutzgesetz
Ein aktuelles Problem ist die Ablehnung von coronabedingten Erstattungsanträgen nach § 56 IfSG. Nach § 56 Abs. 1 IfSG erhält eine Entschädigung in Geld, wer aufgrund dieses Gesetzes als Ausscheider oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern iSv § 31 S. 2 IfSG einem Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet (Kingreen, NVwZ 2025, 16). Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber die Entschädigung nach § 56 Abs. 5 S. 1 IfSG längstens für sechs Wochen, für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Landesbehörde erstattet (Kingreen NVwZ 2025, 16). Soweit ersichtlich, war es zunächst in allen Ländern gängige Praxis, dass diese Erstattungsanträge bewilligt worden sind (Kingreen NVwZ 2025, 16). Dies änderte sich mit der BAG-Entscheidung vom 20.03.2024 (BAG vom 20.03.2024 - 5 AZR 234/23 NZA 2024, 972). Das BAG hat in dieser Entscheidung die Auffassung vertreten, dass Beschäftigte auch dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG haben, wenn sie ohne Krankheitssymptome mit SARS-CoV-2 infiziert waren und aufgrund einer behördlichen Quarantäneanordnung aus rechtlichen Gründen die Arbeitsleistung nicht erbringen konnten (BAG vom 20.03.2024 - 5 AZR 234/23 NZA 2024, 972).
Unter Berufung auf die Entscheidung des BAG lehnen die Behörden nun Erstattungsanträge der Arbeitgeber ab, mit der Begründung, dem Arbeitgeber stehe kein Erstattungsanspruch nach § 56 Abs. 5 IfSG zu, da die infizierten Arbeitnehmer keinen Verdienstausfall erleiden würden. Denn der Arbeitgeber sei nach der Rechtsprechung des BAG in diesen Fällen verpflichtet, Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG zu leisten. Die Entscheidung des BAG wurde stark kritisiert (Kingreen NVwZ 2025, 16; Greiner, NZA 2022, 665, Schmidt RdA 2024, 373; Arnold/Korte, BB 2025, 180-183) und führte zu einer Vielzahl von Klagen vor den Verwaltungsgerichten gegen behördliche Ablehnungsbescheide. (Nach einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf vom 30.10.2024 zu diesem Zeitpunkt gleichwohl 300 Klagen von Arbeitgebern beim VG Düsseldorf anhängig.) Beim Bundesverwaltungsgericht ist eine Revision (BVerwG, Az. 3 C 14.24) anhängig, die einen solchen abgelehnten Erstattungsbescheid zum Gegenstand hat.
Im Koalitionsvertrag findet sich ab Rn. 2949 nun folgende Aussage:
Aufgrund des insbesondere in rechtspolitischer und verfassungsrechtlicher Hinsicht bestehenden Reformbedarfes werden wir das Infektionsschutzgesetz in Zusammenarbeit mit den Ländern überarbeiten.
Ob im Zuge dieser Überarbeitung auch die von den Arbeitgebern geforderte gesetzliche Klarstellung des Vorrangs des Erstattungsanspruchs im IfSG bei symptomloser Coronainfektion erfolgt, lässt sich nicht sicher prognostizieren.
7. Beschäftigtendatenschutz
Auf Seite 58 des Koalitionsvertrages steht der schöne Satz:
Gesetze, Verordnungen und Regelungen, die nicht gemacht werden müssen, werden wir nicht machen. (Rn. 1866).
Ob dies auch für das bereits von der Ampel-Koalition geplante Beschäftigtendatengesetz gilt, bleibt leider unklar. Denn auf Seite 19 des Koalitionsvertrages findet sich die Aussage:
Der Einsatz von KI im Unternehmen erfordert […] die faire Regelung des Umgangs mit den Daten im Betrieb.
Dies könnte auf die Wiederbelebung des unnötigen Vorhabens „Beschäftigtendatengesetz“ hindeuten. Die in der Bundesrepublik geltende EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz regeln bereits umfassend den Schutz von Beschäftigtendaten. Regelungen beim Einsatz vor Künstlicher Intelligenz ergeben sich aus der europäischen KI-Verordnung (EU 2024/1689), die ebenfalls unmittelbar in der Bundesrepublik Anwendung findet. Weitere Regelungen sind nicht notwendig und führen zu unnötiger Bürokratie.
Im Koalitionsvertrag befindet sich ab Randnummer 2014 folgende Aussage:
Bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht schließen wir bürokratische Übererfüllung aus. Parallelregulierungen auf europäischer und nationaler Ebene lehnen wir ab.
Schön wäre, wenn die zukünftige Regierung dem treu bliebe.
8. Entgelttransparenz
Die Entgelttransparenz-Richtlinie der EU (EU/2023/970) ist bis zum 07.06.2026 von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu folgende Aussage (Rn. 3226).
Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer bis 2030 verwirklichen. Dazu werden wir die EU-Transparenzrichtlinie bürokratiearm in nationales Recht umsetzen. Wir werden eine Kommission einsetzen, die bis Ende 2025 dazu Vorschläge macht. Ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren soll dann unverzüglich eingeleitet werden.
Es ist zu erwarten, dass es durch die Umsetzung der Richtlinie zu Änderungen im Entgelttransparenzgesetz kommen wird. Sinnvoll ist, dass die Richtlinie bürokratiearm umgesetzt werden soll. Gespannt sein darf man auf die Besetzung und die Vorschläge der einzusetzenden Kommission bis Ende dieses Jahres.
9. Betriebsbeauftragte
Zum Schluss gibt es noch eine kleine gute Nachricht. Im Wege des Bürokratieabbaus will die kommende Regierung Verpflichtungen zur Bestellung von Betriebsbeauftragten insbesondere für KMUs abschaffen (Rn. 1905).
Im Rahmen des nationalen Sofortprogramms für Bürokratieabbau werden wir bis Ende des Jahres 2025, insbesondere mit Blick auf kleinere und mittlere Unternehmen, Verpflichtungen zur Bestellung von Betriebsbeauftragten abschaffen und den Schulungs-, Weiterbildungs- und Dokumentsaufwand signifikant reduzieren.
Ansprechpartner für die Presse




Jennifer Middelkamp
Pressesprecherin
Regionalgeschäftsführung Kreise Borken | Kleve



