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Weiterlesen116 117 – die Nummer mit den Elfen. Kennen Sie die Werbung mit den beiden feenartigen Damen, die das Namensschild „Elf6“ und „Elf7“ am Revers tragen? Bundesweit läuft diese Kampagne, um die Rufnummer des Patientenservice bekannt zu machen. Sie kann rund um die Uhr an 365 Tagen gewählt werden, wenn man Auskunft über Notdienstpraxen in der Nähe sucht, Termine beim Facharzt benötigt oder in akuten Fällen Hilfe braucht. Am anderen Ende der Leitung sitzen Mitarbeiter in Duisburg. Hier nämlich ist das zentrale Callcenter, das die Anfragen aus NRW bearbeitet. Die Arztrufzentrale GmbH betreibt es, sie ist ein Tochterunternehmen der beiden Kassenärztlichen Vereinigungen in NRW.
„Hochkonjunktur haben wir natürlich dann, wenn die üblichen Praxen-Öffnungszeiten vorüber sind sowie an Wochenenden und Feiertagen“, erläutert Dr. Michael Klein, Geschäftsführer der Arztrufzentrale GmbH. Über eine Million Mal pro Jahr klingeln die Telefone in Duisburg, „am ersten Weihnachtstag waren es 1.000 Anrufe pro Stunde“. Sich für diesen Ansturm zu organisieren – das beschreibt der 57-jährige Geschäftsführer als große Herausforderung des Unternehmens. Wie auch die immer neuen politischen Vorgaben zügig umzusetzen, für medizinische Notfälle fachlich und emotional gerüstet zu sein und nicht zuletzt auch noch die Bedürfnisse der Mitarbeiter im Blick zu behalten.
2011 gründeten die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein in Düsseldorf und Westfalen-Lippe in Dortmund das gemeinsame Unternehmen, das 2012 mit 50 Mitarbeitern an den Duisburger Hauptbahnhof zog. Das 18-stöckige Hochhaus mit seiner MSV-anmutenden Farbgebung in blau-weiß gestreift ist von der Autobahn 59 aus gut zu sehen. „Hier fanden wir eine Fläche von 1.000 Quadratmetern auf einer Etage, sodass wir immer einen Überblick über das gesamte Aufkommen bzw. das Leistungsgeschehen haben“, sagt Dr. Michael Klein. 185 Mitarbeiter arbeiten inzwischen hier in drei Schichten an 365 Tagen im Jahr. Das Bild bestimmen großzügige Schreibtische, natürlich Headsets und Bildschirme sowie mobile Schallschutzwände, aber auch sprudelnde Wasserspiele an jeder Ecke, sodass die Atmosphäre einladend ist.
Bei 40 Prozent der Anrufegeht es um Hausbesuche
Warum in dieser digitalen Zeit ein persönlicher Ansprechpartner am Telefon so wichtig ist, beschreibt Klein, der promovierter Volkswirt ist und nach zahlreichen Stationen im Gesundheitswesen seit 2011 bei der Arztrufzentrale ist: „Junge Eltern zum Beispiel rufen nicht an – sie finden den zuständigen Bereitschaftsdienst der Kinderärzte schnell über die Internetseite 116117.de. Die Menschen, die den Hörer in die Hand nehmen, sind alt oder gar bettlägerig, haben kein Internet oder sind mit unserer Sprache und der Struktur unseres Gesundheitssystems nicht vertraut.“ So gehe es bei 40 Prozent aller Anrufe um Hausbesuche. Sie zu organisieren, auch nachts, mache einen Hauptteil der Beschäftigung aus, erläutert Klein. Und das sei manchmal auch nicht mit einem Telefonat erledigt. „Unsere Mitarbeiter geben z. B. nicht einfach eine Mobil-Nummer weiter und sind damit raus. Sie recherchieren, telefonieren mit den Ärzten, rufen die Patienten zurück – all das kostet Zeit.“
Zudem beeinflussen, so Klein weiter, äußere Umstände, in dem Fall gesetzliche getriebene Änderungen, das Geschäft maßgeblich. So hat die Arztrufzentrale seit dem Jahresbeginn 2020 eine neue Aufgabe: Sie wurde zugleich zur 24/7-Terminservicestelle für die fachärztliche Versorgung. „Das Bundesgesundheitsministerium hat diese Aufgabe bei der 116 117 angesiedelt, was ja sinnvoll ist. Theoretisch kann man sich also jetzt um 3 Uhr nachts den Orthopäden-Termin holen – und Sie werden es nicht glauben, das wird tatsächlich auch gemacht“, erzählt der Geschäftsführer. Nur wenige Monate hatte das Unternehmen jedenfalls Zeit, dieses Projekt umzusetzen, das mit Finanzierung, Know-how, Software und geschulten Mitarbeitern viele Dimensionen hat.
Bessere Erreichbarkeit kostet Geld
Dr. Michael Klein berichtet sehr offen davon, dass bei der bundesweiten Rufnummer noch nicht alles rund läuft, vor allem in Sachen Erreichbarkeit und Wartezeit. „Zu Stoßzeiten lässt sich das manchmal einfach nicht ändern. Selbst wenn wir die doppelte Anzahl an Mitarbeitern hätten, würden wir unsere Vorgabe, 70 Prozent der Anrufe innerhalb von 30 Sekunden anzunehmen, nicht erreichen.“ Bei kritischen Patienten, Medien und Politikern wirbt er daher um Verständnis, „sie sollten sich nicht darauf stürzen oder uns anzählen, wenn es mal nicht gut läuft. Wir steuern laufend nach, optimieren uns, aber nicht alles geht auf Knopfdruck.“ Darüber hinaus habe sein Unternehmen nicht alle Stellschrauben selbst in der Hand, ergänzt Klein: „Bessere Erreichbarkeit erfordert mehr Personal – und das kostet Geld. Dieses kommt ja 1:1 direkt von den Ärzten, die eine Notfallversorgung sicherstellen müssen.“ Deshalb wünscht Klein sich, dass beim ganzen Meckern nicht aus den Augen gerät, dass die Mitarbeiter jeden Tag tausenden Menschen nach einigen Minuten Wartezeit entscheidend weiterhelfen.
30 neue Mitarbeiter eingestellt
Die Mitarbeiter der Arztrufzentrale GmbH, die meisten sind Frauen, haben überwiegend einen medizinischen Hintergrund. „Wir haben viele Arzthelferinnen, Krankenschwestern und Pflegerinnen. Vielen ist ihr ursprünglicher Beruf körperlich zu anstrengend“, erläutert Klein. Ständig evaluieren und anpassen muss Klein die Arbeitszeitwünsche seiner Mitarbeiter mit dem potenziellen Aufkommen an Anrufen. „Wir haben viele Mütter, die den Job mit ihren kleinen Kindern unter einen Hut bekommen müssen. Weil wir den Fachkräftemangel auch spüren, müssen und wollen wir darauf Rücksicht nehmen.“ Hinzu kommt am Standort Duisburg, dass hier große Banken und auch ein überregionales Callcenter aus der Gesundheitsbranche ihren Sitz haben. „Wir fischen schon im gleichen Becken nach Mitarbeitern“, stellt er fest. Trotzdem hat Klein jüngst 30 neue Mitarbeiter einstellen können; sie werden mehrere Wochen angelernt, gecoacht und begleitet. Denn auch solche Anrufer stranden in der Hotline: einsame Menschen, suizid-gefährte oder wütende. Um hier richtig zu reagieren, brauche es neben Know-how viel Einfühlungsvermögen.
Bald könnten zum Team allerdings auch gänzlich andere Kollegen hinzustoßen, Stichwort KI, künstliche Intelligenz. „Technisch ist es ja schon möglich, die reine Auskunft z. B. der Notdienstpraxen, von Computern ansagen zu lassen. Wir bereiten uns darauf schon vor: Wo keine menschliche Kompetenz erforderlich ist, kann besser automatisiert werden“, schaut Dr. Michael Klein voraus. Und nicht zuletzt blickt der Manager auch immer auf die Politik: „Unser Bundesgesundheitsminister Spahn hat viele Ideen und packt eine Menge an. Veränderungen werden kommen, z. B. was das Zusammenführen von Arztpraxis, Bereitschaft und Notfallversorgung im Krankenhaus angeht. Langweilig wird es also nicht!“
Jennifer Middelkamp
Info
Arztrufzentrale NRW GmbH
Friedrich-Wilhelm-Straße 86 – 96
47051 Duisburg
0203 5706-199
www.116117.de
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