[uv]magazin: „Good vibes only“ – welche Mythen und Missverständnisse gibt es über Positive Psychologie und wie können sie entkräftet werden?

Julia Oelgart: Häufig wird Positive Psychologie mit Motivationsgurus oder toxischer Positivität verwechselt. Mit „chakka“ und dem Tabuisieren aller negativen Gefühle hat es aber rein gar nichts zu tun. Stets positiv zu bleiben und sich selbst in jeder Lebenssituation Zwangsoptimismus zu verordnen erzeugt sogar Druck und Schuldgefühle. Außerdem nimmt man sich die Chance zu innerem Wachstum und echter Veränderung. 

Peter Voigt: Positive Psychologie hingegen ist eine seriöse Wissenschaft, die die Faktoren und Wechselwirkungen von einem erfüllten Leben und Arbeiten erforscht. Was beeinflusst Individuen, Beziehungen und Organisationen sich optimal zu entwickeln und aufzublühen. Sie beinhaltet fundierte Modelle und Interventionen, die ganz konkret dabei unterstützen die Potenziale von Menschen und Unternehmen zu entfalten.

Durch den Einsatz von Positiver Psychologie die Zufriedenheit und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz steigern – wie funktioniert das ?

Peter Voigt: Genau durch diesen Fokus auf Potenzialentfaltung. Man legt den Blick u.a. auf die Stärken und Ressourcen und zwar in der gesamten Organisation. Denn wenn jeder Mitarbeitende seine Stärken kennt und in seinem Job einbringen kann, gibt ihm das Energie, Motivation und ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit. Der wichtigste Treiber dafür ist eine Führungskraft, die Stärken erkennt und die Mitarbeitenden entsprechend einsetzt. Das muss gar nicht mit viel Aufwand verbunden sein. Man fördert z.B. im Mitarbeitergespräch gezielt das Positive statt intensiv über Schwächen zu sprechen oder nimmt kleine Rollenveränderungen vor und lässt einen besonders kreativen Kollegen das nächste Teamevent organisieren. 

Julia Oelgart: Auch das Kultivieren von psychologischer Sicherheit, gegenseitiger Dankbarkeit und guten Beziehungen in den Teams ist ein enormer Hebel für das Wohlbefinden. Es entsteht unweigerlich Verbundenheit zu den Kollegen und ganz besonders zur Führungskraft. Die Mitarbeitenden solcher Abteilungen werden wie von alleine ihr Engagement erhöhen und identifizieren sich viel leichter mit der Mannschaft und dem Unternehmen. 

Warum sind Firmen mit einer positiven Unternehmenskultur besonders erfolgreich?

Peter Voigt: Organisationen mit einer positiven Kultur haben bis zu 41% geringere Krankheitsquoten, durch das erhöhte Engagement sind die Mitarbeitenden bis zu 43% mehr an das Unternehmen gebunden und auch die Job Performance steigt um bis zu 56% durch die überdurchschnittliche Identifikation. Außerdem wächst die Innovationskraft in diesen Unternehmen und sie können im Wettbewerb um rare Fachkräfte als attraktiver Arbeitgeber gewinnen.

Julia Oelgart: Wir nennen dies menschenzentriertes Wachstumsparadigma: Stelle deine Mitarbeitenden in den Mittelpunkt deines Wirtschaftens – dann stellt sich dein wirtschaftlicher Erfolg ganz automatisch ein. Und das Gute daran ist, dieser Erfolg ist mittlerweile durch zahlreiche, wissenschaftliche Studien und Praxisbeispiele belegt und eindeutig messbar. So konnte zum Beispiel die Hotelkette Upstalsboom ihren Umsatz verdoppeln in drei Jahren. Unternehmenskultur und Change-Initiativen steigen damit von rein emotionaler und qualitativer Notwendigkeit zur Investionsentscheidung auf.

 

Die Fragen stellte Geraldine Klan

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Geraldine Klan

Referentin