Herr Prof. Becker, die Positive Psychologie ist Ihr Steckenpferd. Warum sollte sich eine Führungskraft heute damit beschäftigen?
Prof. Florian Becker: Weil sie den Unterschied macht – nicht nur für die Stimmung im Team, sondern für harte Ergebnisse. Einige Führungskräfte setzen auf Druck, Deadlines und Micromanagement. Doch wer seine Mitarbeiter wirklich stärken will, sollte breiter denken: Erfolg entsteht nicht durch Zwang, sondern durch Motivation, Sinn und klare Visionen. Studien zeigen: Glückliche Teams sind produktiver, kreativer und loyaler. Das ist kein Esoterik-Quatsch, sondern handfeste Psychologie.
Wie können Führungskräfte die Positive Psychologie konkret nutzen?
Drei konkrete Beispiele:
- Sinn und Selbstvertrauen schaffen: Menschen brauchen ein „Warum“. Ein Team, das weiß, wofür es kämpft, läuft nicht nur – es sprintet. Nehmen Sie Island bei der EM 2016: Kein Star-Team, aber eine kollektive Überzeugung: „Wir können das.“ Das ist kollektive Selbstwirksamkeit – und die lässt sich trainieren.
- Schwerpunkt auf Stärken statt Schwächen: Interessieren Sie sich für Ihre Mitarbeiter: „Was treibt dich an? Wo brennst du dafür?“ Wer Leidenschaft einsetzt, bringt eher Top-Leistung – auch mit vermeintlichen „Schwächen“.
- Fokus und Konzentration: Ablenkung frisst mittlerweile etwa 25% der Arbeitszeit. Schaffen Sie klare Zeitfenster für konzentriertes Arbeiten – und leben Sie es vor. Das bewusste „Nein“ zu Multitasking ist kein Luxus, sondern Pflicht.
Und was ist mit Deadlines? Die sind doch oft Realität.
Deadlines sind wichtig – aber nur, wenn sie realistisch und mit klaren Zwischenzielen verknüpft sind. Der größte Fehler? Führungskräfte setzen Ziele, ohne zu fragen: „Wie kommen wir dahin?“ Das ist auch in der Politik oft zu beobachten. Besser: Klare Konzepte, gemeinsam Meilensteine definieren, Fortschritte feiern – und auch Pausen einplanen. Denn wer seine Leute dauerhaft überlastet, zahlt den Preis: Burnout, Fluktuation, schlechte Ergebnisse. Erfolg ist ein Marathon, kein Sprint.
Viele Führungskräfte fürchten, dass „Positivität“ weich klingt. Wie reagieren Sie darauf?
Ich sage: Probieren Sie’s aus! Die Daten sind klar: Glückliche Mitarbeiter sind erfolgreicher, gesünder und bleiben länger. Das ist kein „Nice-to-have“, sondern ein „Must-have“. Und ja, es braucht Mut, alte Muster zu brechen. Aber wer heute noch glaubt, dass Angst und Druck die beste Motivation sind, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden.
Zum Schluss: Ein Tipp für Führungskräfte, die morgen starten wollen?
Emotionen und Motivation sind ansteckend. Das gilt für positive genauso wie für negative Zustände. Wer als Führungskraft antriebslos und deprimiert ist, der strahlt das auf sein ganzes Team aus. Fangen Sie daher bei sich selbst an. Fragen Sie sich: „Was gibt mir Energie? Wo will ich hin?“ Und dann: Geben Sie Ihrem Team Raum, das Gleiche zu tun. Ein einfacher Start? Einmal pro Woche ungestörte Zeit für strategische Themen – ohne E-Mails, ohne Unterbrechungen. Sie werden überrascht sein, was passiert.
„Positiv führen“ ist kein Projekt, sondern eine Haltung. Wer sie lebt, gewinnt – nicht nur als Führungskraft, sondern als Mensch.
Mehr zu diesem Thema von Prof. Becker im Rahmen unseres #MitgliederForums am 24. November im HAUS DER UNTERNEHMER!

