„Alte Fehler eines Gesetzes nicht mit neuen Fehlern korrigierbar“

Unternehmerverband kritisiert AGG-Gesetzeslage / Unternehmen bürokratisch ent- und nicht weiter belasten

„Suchen jungen dynamischen Mitarbeiter“ – seit genau zehn Jahren ist eine solche Formulierung in einer Stellenausschreibung ein Indiz für eine Diskriminierung: Verletzt wird das im August 2006 in Kraft getretene AGG, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, weil so ältere, weibliche und auch körperbehinderte Bewerber ausgeschlossen werden könnten. Pünktlich zum Geburtstag empfiehlt ein Expertengremium im Auftrag der Bundes-Antidiskriminierungsstelle nun eine weitere Verschärfung des AGG. „Schon das bestehende Gesetz hat gravierende Fehler; diese lassen sich nicht korrigieren, indem neue Fehler begangen werden“, kritisiert Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes. Die acht Juristen dieser Arbeitgeberorganisation beraten tagtäglich Personalverantwortliche bei den Mitgliedsunternehmen zu Arbeitsrechtsfragen, auch rund um das AGG. Schmitz‘ Resümee aus dieser Beratungspraxis lautet: „Das AGG bringt neue Bürokratie, Rechtsunsicherheit und zusätzliche Kosten für Unternehmen.“

Das AGG hat aus Sicht des Unternehmerverbandes Rechtsfälle entstehen lassen, die massive Auswirkungen und falsche Signalwirkung hätten. „So genannte AGG-Hopper bewarben sich systematisch und nicht ernsthaft auf falsch formulierte Stellenausschreibungen – um dann später Entschädigungen einzuklagen, weil sie nicht berücksichtigt wurden“, berichtet Schmitz. Zwar habe der Europäische Gerichtshof solches Gebaren jüngst eingeschränkt; viele Fälle hätten bis dahin aber schon Unternehmen und Gerichte unnötig beschäftigt. Das AGG-Hopping offenbart überdies einen großen Fehler des Gesetzes: die Beweislastumkehr (§ 22 AGG). Danach müssen Bewerber oder Beschäftigte nur Indizien beibringen, die eine Benachteiligung vermuten lassen – und danach ist das Unternehmen in der Pflicht.

Ebenso unnötig waren aus Sicht des Unternehmerverband durch das AGG begründete Klagen gegen die Dienstkleidung: Der Pilot, der genauso wie die weiblichen Kolleginnen keine Mütze tragen wollte, oder die Sekretärin, die nicht zu Schuhen mit hohen Absätzen verpflichtet werden wollte. „Hinzu kommen unzählige Verfahren, in der es um sichtbare religiöse Zeichen geht“, weiß der Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes, weil aus einem Kopftuch ein religiöses Symbol wird. Fragen des Alters spielen z. B. in der betrieblichen Altersversorgung eine wichtige Rolle, wo erst vor kurzem vom Bundesarbeitsgericht die so genannte „Spätehenklausel“ gekippt wurde, aber auch bei Regelungen zur altersbezogenen Urlaubsstaffelung, wo es unterschiedliche Bewertungen durch die Arbeitsgerichte gab.

Aber nicht nur die Verfahren an sich, sondern auch die Umstellungen in den Unternehmen haben unnötig Zeit, Geld und Nerven gekostet: Die Mitarbeiter mussten geschult werden, zudem sah das Gesetz die Einrichtung einer betrieblichen Beschwerdestelle vor. Als Konsequenz haben einige Unternehmen auf das so genannte „Anonyme Bewerbungsverfahren“ umgestellt, um sich in der ersten Bewerberauswahl etwa nicht von Geschlecht, Hautfarbe oder Alter beeinflussen zu lassen. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen aber: „Anonymisierte Bewerbungen können den persönlichen Eindruck eines Bewerbers nicht ersetzen. Ausschlaggebend für die Unternehmen ist die fachliche Kompetenz in Verbindung mit dem persönlichen Eindruck. Eine anonyme Bewerbung schafft hier nur unnötige Mehrarbeit. Dies ist gerade von kleinen und mittleren Unternehmen gar nicht leistbar“, sagt Wolfgang Schmitz.

In dem heute (Dienstag, 9. August) vorgestellten Evaluationsbericht, den die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Auftrag gegeben hat, wird eine Verschärfung des Gesetzes vorgeschlagen. So sollen künftig nicht mehr nur Betroffene, die sich von Arbeitgebern, Dienstleistern oder Vermietern benachteiligt fühlen, klagen dürfen, sondern auch Verbände sowie die Antidiskriminierungsstelle selbst. Ebenfalls deutlich mehr Rechte sollten Betriebsräte und Gewerkschaften erhalten. Sollte die Politik diese Empfehlungen ernsthaft in Erwägung ziehen, würde dies weit über die europarechtlichen Vorgaben hinausgehen. Und damit wiederholte sich die Geschichte: Schon 2006 übererfüllte Deutschland mit dem AGG die EU-Vorgaben, was zusätzliche Bürokratie gebracht und die Wettbewerbsfähigkeit geschwächt hat. „Nationale Übererfüllung birgt zudem die Gefahr, sich gegenseitig aufzuschaukeln und entsprechende Reglementierungen auf europäischer Ebene zu verschärfen, was unbedingt zu vermeiden ist“, gibt Schmitz zu bedenken.

„Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“ – auf dieses Fazit bringt Schmitz die neu aufgeflammte AGG-Diskussion: „Die deutsche Wirtschaft hat das Diskriminierungsproblem in der Realität doch längst hinter sich gelassen. In Zeiten des Fachkräftemangels kann sich kein Personalchef die Bevorzugung bestimmter Gruppen erlauben; Vielfalt in der Personalarbeit ist Pflicht.“

Die Unternehmerverbandsgruppe mit ihren sechs Einzelverbänden und ihren rund 700 Mitgliedsunternehmen gehört zu den größten Arbeitgeberverbänden Nordrhein-Westfalens. Drei der sechs Verbände in der Gruppe agieren in der Region Ruhr-Niederrhein, die drei weiteren sind bundesweit aktiv. Mit Sitz in Duisburg reicht das Gebiet der regionalen Verbände vom westlichen Ruhrgebiet (Duisburg, Mülheim, Oberhausen) über den rechtsrheinischen Teil des Kreises Wesel bis an die niederländische Grenze (Emmerich und Umgebung) und ins Münsterland (Bocholt und Umgebung).

Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes (Foto: Unternehmerverband)

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